DatenschutzWoche vom 24 07. 2023

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Datenschutz bei „Google Workspace for Education Plus“

In einem heute veröffentlichten Beschluss vom 22.02.2023 (Az. 19 B 417/22) befasst sich das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen mit den Anforderungen an den datenschutzkonformen Einsatz der digitalen Arbeits- und Kommunikationsplattform „Google Workspace for Education Plus“. Dem Rechtsstreit lag der Antrag eines Gymnasiasten auf einstweilige Verpflichtung des Landes NRW zur Bereitstellung einer Arbeits- und Kommunikationsplattform, die mit nationalem und europäischem Datenschutzrecht nachweislich übereinstimmt, zugrunde.

Das Gericht hat angesichts der geschilderten Nachteile bei der Nichtnutzung der Plattform keine Zweifel daran, dass Grundrechtsverletzungen „[…] im vorliegenden Fall als möglich in Betracht zu ziehen sind (Ausschluss vom visuellen Austausch mit den Lehrkräften beim Distanzunterricht, Abruf von Hausaufgaben und Hochladen von Lösungen nur per (wohl unverschlüsselter) E-Mail, Ausschluss von digitalen Gruppenarbeiten der Klassenkameraden, Klassenbesprechungen usw.)“. Darüber hinaus stellt das OVG klar, dass „[…] der kommunale Schulträger die Datenschutzkonformität einer von ihm bereitgestellten digitalen Arbeits- und Kommunikationsplattform zu gewährleisten und gegebenenfalls den betroffenen Schülern, Eltern und Lehrern auf fachkundiger Grundlage nachzuweisen hat.“ Dieser Nachweis konnte nicht erbracht werden, weil der Schulträger weder den Vertrag zur Auftragsverarbeitung noch das Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten vorlegen konnte. Am Ende des Verfahrens verpflichtete sich der kommunale Schulträger daher „bis zum Ende der Osterferien 2024 dem Antragsteller und den gemeinsam mit ihm lernenden Mitschülern […] eine Arbeits- und Kommunikationsplattform zur Verfügung zu stellen, deren Vereinbarkeit mit nationalem und europäischem Datenschutzrecht die […] Schulträgerin nachweislich überprüft und bestätigt hat“.

Das Eil- und das Hauptsacheverfahren wurden durch eine einvernehmliche Einigung beendet.

Landesarbeitsgericht Berlin: Recht auf Auskunft auch bei datenschutzfremder Motivation

Das Recht aus Auskunft nach Art. 15 DSGVO ist oft Gegenstand von juristischen Diskussionen und immer häufiger auch von Gerichtsentscheidungen. In einem Urteil vom 30.03.2023 (Az. 5 Sa 1046/22) hat sich nun auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin zu mehreren Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Auskunftsanspruch geäußert. Dabei vertritt es die Auffassung, dass Ansprüche auf Auskunft und Herausgabe einer Datenkopie auch dann auf Art. 15 DSGVO gestützt werden können, wenn sie nicht - ausschließlich oder ganz überwiegend - aus datenschutzrechtlichen Erwägungen geltend gemacht werden.

Dient also der Auskunftsanspruch nicht dazu, Kenntnis von der Verarbeitung personenbezogener Daten zu erlangen und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, ist dies nach Ansicht des LAG Berlin nicht rechtsmissbräuchlich. Anders hatten zuletzt beispielsweise das OLG Hamm (Urteil vom 03.05.2023, Az. 20 U 146/22) und das OLG Brandenburg (Urteil vom 30. 06.2023, Az. 11 U 155/22, juris) entschieden.

Internationale Nachrichten

  • Europa: Das EDPB hat erste Informationen zum neuen Angemessenheitsbeschluss für Datenübermittlungen in die USA veröffentlicht. Darin wird unter anderem klargestellt, dass sich die Änderungen an der Rechtslage in den USA auch positiv auf Datenübermittlungen auswirken, die nicht auf den neuen Angemessenheitsbeschluss, sondern auf andere Garantien gestützt werden.
  • Österreich: Die Datenschutzbehörde hat ihren Newsletter 3/2023 veröffentlicht. Themen sind unter anderem ein Rückblick auf fünf Jahre DSGVO, die Taskforce ChatGPT sowie ausgewählte Entscheidungen der Behörden und Gerichte.

Aktuelle Gerichtsentscheidungen

  • LG Hamburg, Urteil vom 18.11.2022, Az. 324 S 3/22 (GRUR-RS 2022, 47943): Kein Anspruch auf Löschung von Informationen über den Kläger aus einer Internet-Datenbank zu Amateur-Fußballspielen. Es besteht ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung.
  • OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.02.2023, Az. 19 B 417/22 (Volltext): Der Nachweis des datenschutzkonformen Einsatzes von „Google Workspace for Education Plus“ an einer Schule erfordert unter anderem die Vorlage des „konkret abgeschlossenen“ Vertrags zur Auftragsverarbeitung sowie des Verarbeitungsverzeichnisses.
  • LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.03.2023, Az. 5 Sa 1046/22 (Volltext): Anträge auf Auskunft und Kopie können auch auf Art. 15 DSGVO gestützt werden, wenn kein datenschutzrechtlicher Zweck verfolgt wird. Es liegt kein Rechtsmissbrauch vor.
  • VG Bremen, Urteil vom 16.06.2023, Az. 2 K 1412/21 (BeckRS 2023, 17109): Das Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf aus Art. 79 DSGVO führt nicht zur Entbehrlichkeit des Vorverfahrens.
  • VG München, Beschluss vom 22.06.2023, Az. M 26b S 23.1889 (juris): Die Gesundheitsämter sind durch die DSGVO nicht daran gehindert, diejenigen Angaben zu fordern, die für die Erfüllung ihrer vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben erforderlich sind.
  • VG Bremen, Urteil vom 26.06.2023, Az. 4 K 238/23 (BeckRS 2023, 17112): Das Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter aus Art. 79 Abs. 1 DSGVO normiert keine unionsrechtliche Klageart sui generis.
  • VGH München, Beschluss vom 29.06.2023, Az. 6 ZB 23.530 (BeckRS 2023, 17253): Kein Anspruch auf Löschung von Unterlagen über krankheitsbedingte Dienstunfähigkeiten eines Beamten aus Art. 5 Abs. 1 Buchstabe c, d und e DSGVO.
  • Weitere Entscheidungen zu Schadensersatz wegen Scraping bei Facebook:
  • Zusprechend: LG Ravensburg, Urteil vom 13.06.2023, Az. 2 O 228/22 (GRUR-RS 2023, 17418) – 1.000 Euro
  • Ablehnend: LG Regensburg, Urteil vom 11.05.2023, Az. 72 O 731/22 KOIN (Volltext)
  • LG München I, Urteil vom 31.05.2023, Az. 18 O 4509/22 (juris)

Neuigkeiten aus den Aufsichtsbehörden