Datenschutzwoche
Schadensersatzklagen wegen Scrapings werden häufig abgelehnt
Nach zahlreichen Urteilen in den letzten Wochen zeichnet sich eine Tenzden ab: Ansprüche auf Ersatz immaterieller Schäden nach Art. 82 DSGVO wegen Scraping-Vorfällen bei Facebook werden überwiegend abgelehnt. Zunächst war unklar, wie die Gerichte die Klagen bewerten würden (vgl. DatenschutzWoche vom 16.01.2023).
Bei Facebook waren in den Jahren 2018 und 2019 mehrere Millionen Datensätze mit Kontaktdaten von Nutzern von unbekannten Dritten ausgelesen und im Internet veröffentlicht worden. Die irische Datenschutzaufsichtsbehörde hatte in diesem Zusammenhang wegen Verstößen gegen die DSGVO ein Bußgeld in Höhe von 265 Millionen Euro gegen die Facebook-Mutter Meta verhängt. Einige deutsche Gerichte hatten Betroffenen Schadensersatz in Höhe von bis zu 1.000 Euro zugesprochen (vgl. LG Zwickau, Urteil vom 14.09.2022, Az. 7 O 334/22).
Die aktuellen Entscheidungen in den daraufhin massenhaft angestrengten Schadensersatzklagen dürften für die Kläger jedoch ernüchternd sein. Einige Gerichte verneinen bereits einen Verstoß gegen die DSGVO, viele andere kommen zu dem Ergebnis, dass die Kläger ihren Schaden nicht ausreichend dargelegt haben. Ganz überwiegend enden die bisher bekannt gewordenen Verfahren mit einer Klageabweisung.
Internationale Nachrichten
- Frankreich: Die französische Datenschutzaufsichtsbehörde CNIL veröffentlichte einen Bericht über acht Frauen, die die digitale Geschichte geprägt haben. 63 Prozent der CNIL-Bediensteten sind Frauen.
- Belgien: Der belgische König möge seine Datenschutzinformationen zu Bürgeranfragen nachbessern und transparenter über die Weitergabe von Beschwerden informieren, fordert die belgische Datenschutzaufsicht. Da das Kabinett des Königs jedoch Immunität genießt, konnte die Behörde keine Sanktionen verhängen.
Aktuelle Gerichtsentscheidungen
- BGH, Beschluss vom 21.02.2023, Az. VI ZR 330/21 (Volltext): Aussetzung eines Verfahrens zum Regelungsgehalt von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO (Recht auf Kopie) wegen anhängiger Vorlageverfahren beim EuGH.
- LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.08.2022, Az. 3 Sa 203/21 (Volltext): Freiwillig bestellte Datenschutzbeauftragte genießen keinen Sonderkündigungsschutz nach dem BDSG.
- LG Heilbronn, Urteil vom 03.03.2023, Az. Bö 1 O 78/22 (GRUR-RS 2023, 3278): Kein Schmerzensgeld nach Art. 82 DSGVO wegen Scraping bei Facebook. Ein Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO kann nicht festgestellt werden.
- LG Hamburg, Urteil vom 01.03.2023, Az. 316 O 188/22 (GRUR-RS 2023, 3283): Kein Schmerzensgeld nach Art. 82 DSGVO wegen Scraping bei Facebook. Ein Datenschutzverstoß als solcher reicht nicht aus. Ein konkret dargelegter Schaden ist erforderlich.
- LG Osnabrück, Urteil vom 03.03.2023, Az. 11 O 834/22 (GRUR-RS 2023, 3281): Kein Anspruch auf Schmerzensgeld nach Art. 82 DSGVO wegen Scraping bei Facebook. Unabhängig von einem etwaigen Verstoß gegen die DSGVO, fehlt es am Eintritt eines immateriellen Schadens.
- LG Münster, Urteil vom 27.02.2023, Az. 017 O 344/22 (GRUR-RS 2023, 3282): Kein Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO wegen Scraping bei Facebook. Eine schadensersatzauslösende Pflichtverletzung der Beklagten liegt nicht vor. Außerdem: Kein ersatzfähiger Schaden vorgetragen.
- LG Itzehoe, Urteil vom 27.02.2023, Az. 10 O 159/22 (GRUR-RS 2023, 3280): Kein Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO wegen Scraping bei Facebook. Kein Verstoß gegen das Datenschutzrecht. Ein Anspruch folgt auch nicht aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281, 327, 327e, 327i BGB.
- LG Baden-Baden, Urteil vom 21.12.2022. Az. 3 O 277/22 (GRUR-RS 2022, 44105): Der Beklagte hat durch das Aufsuchen der Internetseiten konkludent in die Datenverarbeitung mittels Google Fonts eingewilligt.
- VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 08.02.2023, Az. 15 K 3678/22 (Volltext): Der Grundsatz von Treu und Glauben kann der Geltendmachung eines Betroffenenrechts nach der DSGVO entgegenstehen. Die Anforderungen des Unionsrechts werden gewahrt.
- Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14.02.2023, Az. L 16 SF 5/21 DS (KR) (juris): Eine Beschwerde nach Art. 77 DSGVO ist keine Petition gegenüber der Aufsichtsbehörde, sondern ein Anspruch auf eine ermessenfehlerfreie Entscheidung.
- LG Mosbach, Urteil vom 06.02.2023, Az. 2 O 113/22 (BeckRS 2023, 2111): Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Scraping bei Facebook. Teilweise ist der sachliche Anwendungsbereich von Art. 82 DSGVO nicht eröffnet, außerdem liegt kein Verstoß gegen die DSGVO vor.
- LG Frankfurt, Urteil vom 27.01.2023, Az. 2-27 O 158/22 (juris): Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Scraping bei Facebook. Die Beklagte war nicht verpflichtet, diese Daten vor der Verarbeitung durch die Scraper zu schützen. Kein Verstoß gegen die DSGVO.
- AG Waldbröl, Urteil vom 12. Januar 2023 – 3 C 100/22 (juris): Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Scraping bei Facebook. Zur Begründung eines Anspruchs aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO fehlt es jedenfalls an einem Schaden des Klägers.
- LG Mönchengladbach, Urteil vom 10.01.2023, Az. 3 O 87/22 (juris): Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Scraping bei Facebook. – „Läge bei jedem DSGVO-Verstoß automatisch ein immaterieller Schaden vor, wäre der Schaden als Anspruchsvoraussetzung überflüssig.“
- LG Ravensburg, Urteil vom 26.08.2022, Az. 1 O 89/22 (juris): Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Scraping bei Facebook. Es ist dem Kläger nicht gelungen, den Eintritt eines eigenen Schadens nachzuweisen.
Neuigkeiten aus den Aufsichtsbehörden
- Datenschutzaufsicht Bayern (BayLDA): „Deutsch-amerikanischer Datenschutztag am 19.04.2023“
- Datenschutzaufsicht Berlin: „Datenschutz trifft Medienkompetenz“ – Einladung zum Fachtag für Medienpädagoginnen und Medienpädagogen am 30.03.2023