Datenschutzwoche
Facebook-Seite der Bundesregierung: Bundespresseamt klagt gegen Verbot
Im Streit um die Facebook-Seite der Bundesregierung (wir berichteten am 27.02.2023) hat das Bundespresseamt (BPA) nach Medienberichten beim VG Köln eine Klage gegen die Anordnung des Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI) erhoben.
Der BfDI hatte dem BPA mit einem Bescheid vom 17.02.2022 bis auf weiteres die Verarbeitung von personenbezogenen Daten über die Facebook-Fanpage der Bundesregierung untersagt. Der Betrieb der Fanpage sei nicht datenschutzkonform möglich.
In einer Einschätzung vom 15.03.2023 hatte der stellvertretende Chef des BPA zuletzt mitgeteilt: „Die Bundesregierung hat einen verfassungsrechtlichen Auftrag, die Bürgerinnen und Bürger über die Tätigkeit, Vorhaben und Ziele der Bundesregierung zu informieren. Zur Erfüllung dieses Auftrags gehört es, sich an der tatsächlichen Mediennutzung der Bürgerinnen und Bürger zu orientieren, um diese auch wirklich zu erreichen. […] Es geht in diesem Verfahren um die Klärung grundsätzlicher, komplexer Sach- und Rechtsfragen zum europäischen Datenschutzrecht. Diese können im Ergebnis jeden Betreiber einer Facebook-Seite in der EU betreffen: nicht nur staatliche Institutionen auf allen Ebenen, sondern auch Parteien oder private Stellen. […] Auf sozialen Medien aktiv zu sein, bedeutet im Übrigen nicht, sich mit allen Einzelheiten der Geschäfts- und Datenschutzpraxis der jeweiligen Unternehmen einverstanden zu erklären.“
Der Ausgang des Verfahrens vor dem VG Köln dürfte in der Fachöffentlichkeit mit Spannung erwartet werden. Dem BPA kommt bei der Information der Öffentlichkeit schließlich eine besondere Rolle zu. Außerdem liegt die „Wirtschaftsakademie“-Entscheidung des EuGH vom 5. Juni 2018 (Rechtssache C-210/16) schon einige Jahre zurück, in denen Meta zahlreiche Änderungen bei Facebook-Seiten vorgenommen hat. Daher erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass der Fall erneut vor dem EuGH landet.
Arbeitsgericht Oldenburg: 10.000 Euro Schmerzensgeld für verspätete Auskunft
Mit Urteil vom 09.02.2023 (Az. 3 Ca 150/21) hat das Arbeitsgericht Oldenburg entschieden, dass ein Unternehmen einem ehemaligen Arbeitnehmer wegen verspäteter Auskunftserteilung Schadensersatz in Höhe von 10.000 Euro zahlen muss.
Der Kläger hatte bei seinem ehemaligen Arbeitgeber ein Auskunftsersuchen nach Art. 15 DSGVO gestellt. Das Unternehmen hatte die Auskunft über 20 Monate lang verweigert und erst im Laufe des Gerichtsverfahrens einzelne Auskünfte erteilt. Neben der vollständigen Auskunft verlangte der Kläger auch Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO.
Das ArbG verurteilte die Beklagte zur Auskunftserteilung und sprach dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro zu. Nach Auffassung des Gerichts soll bereits der Verstoß gegen die DSGVO zu einem immateriellen Schaden führen. Eine nähere Darlegung des Schadens durch den Kläger sei daher nicht erforderlich. Die Höhe des Schmerzensgeldes begründet das Gericht mit dem hohen Auskunftsinteresse des Klägers sowie dem langen Zeitraum, in dem der Auskunftsanspruch nicht erfüllt wurde. Das Gericht hält daher einen Betrag von 500 Euro pro Monat für angemessen.
Die Rechtsprechung zum Schadensersatz bei Datenschutzverletzungen ist uneinheitlich. Insbesondere die Arbeitsgerichtsbarkeit ist für eine arbeitnehmerfreundliche Auslegung datenschutzrechtlicher Ansprüche bekannt. Dagegen bestätigen aktuell zahlreiche ablehnende Urteile wegen eines Scraping-Vorfalles bei Facebook, dass es beim Schadensersatz nach der DSGVO auf das Vorliegen eines Schadens im Einzelfall ankommt (vgl. DatenschutzWoche vom 13.03.2023). Die Oldenburger Entscheidung dürfte daher nur eingeschränkt auf andere Fälle übertragbar sein.
Internationale Nachrichten
- Europa: Das EDPB hat eine koordinierte Durchsetzungsmaßnahme zur Ernennung und Rolle des Datenschutzbeauftragten gestartet. Beteiligt sind 26 europäische Datenschutzaufsichtsbehörden.
- Europa: In der Rechtssache C-634/21 (Scoring durch die SCHUFA) und in den verbundenen Rechtssachen C-26/22 und C-64/22 (Speicherung der Restschuldbefreiung durch die SCHUFA) hat EuGH-Generalanwalt Pikamäe seine Schlussanträge gestellt. Er kommt darin zum Ergebnis, dass die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Fähigkeit einer Person, einen Kredit zu bedienen, ein Profiling im Sinne der DSGVO ist. Außerdem stellt der Generalanwalt fest, dass die Speicherung der Restschuldbefreiung auch dann rechtmäßig sein kann, wenn die zugrundeliegenden Daten bereits aus den öffentlichen Registern gelöscht worden sind. Angesichts der erheblichen negativen Folgen, die die Speicherung der Daten für die betroffene Person nach Ablauf des fraglichen Zeitraums haben kann, erscheint ein berechtigtes Interesse aus Sicht des Generalanwalts jedoch fraglich. Eine knappe Zusammenfassung der Schlussanträge enthält die Pressemitteilung des EuGH vom 16. März 2023.
Aktuelle Gerichtsentscheidungen
- ArbG Oldenburg, Urteil vom 09.02.2023, Az. 3 Ca 150/21 (BeckRS 2023, 3950): 10.000 Euro Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO wegen einer verspäteten Auskunft. Der Schaden folgt aus einem hohen Auskunftsinteresse des Klägers und dem langen Zeitraum der Nichterfüllung.
- ArbG Dresden, Urteil vom 11.01.2023, Az. 4 Ca 688/22 (BeckRS 2023, 1716): Wegen einer verspäteten und unvollständigen Auskunft (Art. 15 DSGVO) steht der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 Euro zu.
- OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.03.2023, Az. 16 U 154/21 (GRUR-RS 2023, 4182): Kein Schadensersatz für eine verspätete Auskunft nach Art. 15 DSGVO, da der Kläger keinen immateriellen Schaden (z.B. Ängste oder starken Stress) dargelegt hat (Revision zugelassen).
- LG Oldenburg, Urteil vom 03.03.2023, Az. 13 O 731/22 (juris): Die Prüfung geldwerter Ansprüche gegen die Beklagte ist ein vom Datenschutz weit entferntes Begehren und begründet keinen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO.
Kein Schadensersatz wegen Scraping bei Facebook:
- LG Berlin, Urteil vom 07.03.2023, Az. 13 O 79/22 (GRUR-RS 2023, 3826)
- LG Detmold, Urteil vom 07.03.2023, Az. 02 O 67/22 (GRUR-RS 2023, 3823)
- LG Itzehoe, Urteil vom 09.03.2023, Az. 10 O 87/22 (GRUR-RS 2023, 3825)
- LG Bielefeld, Urteil vom 10.03.2023, Az. 19 O 147/22 (GRUR-RS 2023, 3855)
- LG Memmingen, Urteil vom 09.03.2023, Az. 35 O 1036/22 (GRUR-RS 2023, 3856)
- LG Berlin, Urteil vom 09.03.2023, Az. 65 O 92/22 (GRUR-RS 2023, 3860)
- LG Baden-Baden, Urteil vom 09.03.2023, Az. 3 O 248/22 (GRUR-RS 2023, 3862)
- LG Bonn, Urteil vom 08.03.2023, Az. 17 O 165/22 (GRUR-RS 2023, 3854)
- LG Hildesheim, Urteil vom 21.02.2023, Az. 3 O 89/22 (GRUR-RS 2023, 3859)
- LG Münster, Urteil vom 07.03.2023, Az. 02 O 54/22 (GRUR-RS 2023, 4183)
Neuigkeiten aus den Aufsichtsbehörden
- Datenschutzaufsicht Schleswig-Holstein: „Tätigkeitsbericht 2023“ – zugehörige Pressemitteilung vom 15.03.2023
- Bundesdatenschutzbeauftragter: „Tätigkeitsbericht für das Jahr 2022“ – zugehörige Pressemitteilung vom 15.03.2023