Aus Sicht der Stiftung Datenschutz 03/23: Mehr Strategie wagen

Alle wollen mehr Digitalisierung, alle wollen mehr Datennutzung. Was braucht es dann, um auf dem Weg dorthin Erfolge zu erreichen? Ein überlegtes Herangehen und konsistente Handlungsgrundsätze – eine Strategie eben. Im alten Griechenland stand „strategos“ für Feldherrenkunst und gute Heeresführung. Heute verstehen wir darunter eine grundsätzliche, langfristige Verhaltensweise zur Verwirklichung langfristiger Ziele1 in Form einer Gesamtkonzeption.

Unbestreitbar besteht Bedarf an solch einem Gesamtkonzept und an einem strategischen Vorgehen in der Digital- und Datenpolitik. Angesichts schneller technologischer Entwicklungen und eines globalen Standortwettbewerbs gilt es, bei der Suche nach dem besten Konzept zur Regulierung des Umgangs mit Daten keine Zeit zu verlieren. Ebenso wichtig wie Geschwindigkeit ist jedoch eine stringente Konzeption. Wenn die Teile einer Strategie nur lose verbundene Einzelpunkte sind, kann das die Kraft des Gesamtkonzepts mindern. Daher kommt es bei einer Datenstrategie, an der verschiedene Bundesministerien – womöglich geleitet von unterschiedlichen Interessen – arbeiten, sehr darauf an, die Einzelteile gut zu verbinden.

Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, ein zentrales Digitalministerium mit Zuständigkeit für alle wichtigen Datenthemen einzurichten. In der aktuellen Konstellation müssen in der Datenpolitik meist mehrere Häuser zusammenwirken. So ist etwa für das zu errichtende Dateninstitut nicht das – naheliegende – Bundesministerium für Digitales und Verkehr zuständig, sondern das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium und dem Bundesforschungsministerium. Auch die nationale Datenstrategie soll von gleich drei Ministerien weiterentwickelt werden; so legte es die Bundesregierung im vergangenen Herbst fest.

Datenstrategie? Gibt’s doch schon?

Von einer „Weiterentwicklung“ wird zu Recht gesprochen, weil die vorhandene Datenstrategie noch längst nicht umgesetzt ist und ihre Ziele nach wie vor aktuell sind. Die ehemalige Regierungskoalition im Bund hatte ihre Datenstrategie erst nach jahrelangen Vorarbeiten und Diskussionen im Januar 2021 vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt war bereits bekannt, dass es in der verbleibenden Zeit bis zum Bundestagswahlkampf kaum möglich sein würde, nennenswerte Teile der Forderungen umzusetzen. Schauen wir, ob es in dieser Legislaturperiode besser läuft. Mit etwas Glück wird die angekündigte Überarbeitung der deutschen Datenstrategie bei Erscheinen dieser Kolumne bereits vorliegen.

Was inhaltlich 2021 liegenblieb, kann 2023 gleich in Angriff genommen werden. Ganz oben auf der Agenda muss sicherlich stehen, wie die Durchsetzung des Datenschutzrechts vereinheitlicht werden kann. Dies hat auch in Brüssel Priorität; in diesen Monaten wird dort an einer Ergänzung der DSGVO gearbeitet. Deutschland hat hier besonderen Änderungsbedarf, denn die historisch bedingte – sachlich jedoch kaum mehr gerechtfertigte – Zuständigkeit der Bundesländer für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich sollte beherzt hinterfragt und womöglich geändert werden.

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Wenn aus strukturellen Gründen keine Zentralisierung der Aufsicht über die Wirtschaft in Frage kommen kann, ist zumindest die im Koalitionsvertrag versprochene Institutionalisierung der Datenschutzkonferenz herzustellen und damit die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden zu festigen. Ziel könnte eine Art innerdeutsches Kohärenzverfahren nach Vorbild des EU-Datenschutzrechts sein, mit Mehrheitsentscheidungen und schnelleren Prozesse. Verfassungsrechtliche Hürden, wie das grundsätzliche Verbot der Mischverwaltung zwischen Bund und Ländern, müssen aufmerksam berücksichtigt, aber im Ergebnis überwunden werden. Dies ist, wie im Falle des IT-Planungsrates, auf Basis einer Klarstellung im Grundgesetz möglich6, letztere ist jedoch nicht zwingend. Zu diesem Schluss kam ebenfalls ein Gutachten im Auftrag der Datenschutzkonferenz Anfang 2022.

Von Kompetenz und Kultur

Abseits dieses sehr konkreten Punktes enthält die „alte“ Datenstrategie9 richtige Ansätze. So sollen Datenzugang und Datenteilung ausgeweitet werden, ohne dass der Datenschutz eingeschränkt wird. Ein solcher Kompromiss soll Grundrechtsschutz mit Innovationsförderung vereinen. In dem Dokument von 2021 wurden die Förderung von „Datenkompetenz“ und die Etablierung einer neuen „Datenkultur“ angemahnt. Dies sind Daueraufgaben mit Vorbildcharakter des Staates, die selbstverständlich Teil jeder Datenstrategie sein müssen.

Während wir bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe auf die Datenstrategie noch warten, wird die Digitalstrategie des Bundes bereits umgesetzt. Der Erfolg wird davon abhängen, dass die Einzelprojekte und die übergeordneten Aspekte gleichermaßen verfolgt werden. Ein Beirat, in den jüngst auch der Kolumnist berufen wurde, bewertet parallel zur laufenden Regierungsarbeit sogenannte Leuchtturmprojekte aus allen Fachministerien und gibt deren Vertreterinnen und Vertretern direkte Rückmeldung. Damit soll eine qualitative Beurteilung der Einzelprojekte der Digitalstrategie erreicht werden. Ganz sicher wird sich der Beirat auch zur Digitalstrategie im Ganzen äußern. Denn jede Strategie ist bestenfalls mehr als die Summe ihrer Bestandteile.