DatenTag: Soziale Medien und Datenschutz – wie geht das zusammen?

Konferenz

19. September 2024, 10:00 Uhr

Soziale Medien und Datenschutz – das geht zusammen!

Beim DatenTag am 19. September 2024 wagte die Stiftung Datenschutz einen Blick über den Tellerrand. Sonst geht es bei unseren Veranstaltungen oft um Detailfragen der Datenschutzgesetzgebung. Diesmal wollten wir jedoch die Frage nach dem Datenschutz in einen größeren gesellschaftlichen Kontext einbetten – den Umgang mit Social Media.

Prof. Dr. Hanna Klimpe von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg sprach in ihrer Keynote über „soft populism“, also vermeintlich unpolitische Inhalte, die aber deutliche Signale in die Welt senden. Als Beispiel führte sie die sogenannten „Trad Wives“ an, die sich – hauptsächlich auf Instagram ansprechend inszeniert – in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter auf vermeintlich traditionelle Werte besinnen und mit Ästhetik und Nostalgie ein sehr konservatives Frauenbild propagieren. Rechte Parteien können diese Ideale leicht aufgreifen und für ihre Zwecke nutzen. Trotzdem warnte sie davor, zum Beispiel im Hinblick auf den Rechtsruck auf Monokausalitäten zurückzugreifen.

Kirsten Bock, Referentin für Datenschutzrecht bei der Stiftung Datenschutz, griff den zentralen Gedanken ihrer Vorrednerin auf: „Das Unpolitische ist politisch.“ Soziale Medien sollten eigentlich verbinden, doch die Algorithmen belohnen vor allem Inhalte, die Ängste schüren und für Aufregung sorgen, mit höherer Reichweite. Einerseits rief sie die Nutzenden der sozialen Netzwerke auf, darin positive Inhalte zu verbreiten. Andererseits sah sie auch regulatorische Pflichten, um es Demokratiefeinden nicht zu leicht zu machen. Sie forderte eine Transparenz und Ethik der Algorithmen, ergänzt durch Medienkompetenz. Das hohe Gut der Demokratie – die Meinungsfreiheit – gelte es zu schützen.

Rechtlicher Rahmen als Vorbedingung für Freiheitsräume

Der Datenschutzexperte Wolfram Felber gab anschließend einen Überblick über den rechtlichen Rahmen. Für ihn beantwortete sich die Frage im Titel der Veranstaltung „Soziale Medien und Datenschutz – wie geht das zusammen?“ ganz eindeutig: Der rechtliche Rahmen sei die Vorbedingung für die Freiheitsräume, die soziale Medien darstellen.

Nach den gesellschaftlichen und rechtlichen Einordnungen folgte der Blick in die Praxis. Dr. Thomas Werle vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung sprach über die Auswahlprozesse der Social-Media-Kanäle, die die Bundesregierung nutzt. Er bezeichnete sein Haus als „late adopter“. Die Mitarbeitenden beobachteten neue Plattformen eine Weile, bevor eine Nutzung überhaupt in Frage komme. Auch danach fände ein kontinuierlicher Prozess der Evaluierung statt. Wichtig zu verstehen sei, dass soziale Medien eine Ergänzung zu anderen Kommunikationskanälen darstellten und diese nicht ersetzten.

Nicht kleiner machen, als wir sind

Dr. Juliane Hundert, sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte, und Ministerialdirigentin Tanja Jost aus dem Hause der Bundesdatenschutzbeauftragten, diskutierten über ihre laufenden Verfahren gegen Facebook-Fanpages. Beide sahen die rechtlichen Schritte als Mittel zum Zweck, da es kaum möglich sei, direkt gegen die großen Plattformen vorzugehen, die oft ihren Sitz in Irland haben. Sie hofften zudem auf eine Signalwirkung gegenüber anderen Plattformen. Klar sei, dass sie ihre Ressourcen bündeln müssten. Dr. Juliane Hundert plädierte dafür, dass öffentliche Stellen ihr politisches Gewicht nutzen, um Veränderungen herbeizuführen: „Wir sollten uns nicht kleiner machen, als wir sind.“ Im Fall des Analyse-Tools Facebook Insights hätte das schon funktioniert, man könne es nun abschalten. Kritik am „One-Size-Fits-All“-Ansatz der DSGVO gab es nicht. „Recht ist Recht“, so Tanja Jost.

Prof. Dr. Dr. Alexander Moutchnik von der Hochschule RheinMain beschäftigte sich in seinem Vortrag mit der Wirkungsweise von Social Media, die er als „gesellige“ Medien übersetzen würde. Er diagnostizierte ein Erschöpfungssyndrom, die Nutzung sei nicht mehr inspirierend, sondern  automatisiert. Um dieser Abnutzung entgegenzuwirken, empfahl er kreative und disruptive Formate.

Einfach bessere Reden halten

Um öffentliche Verantwortung im Zusammenhang mit Social Media ging es im Gespräch mit Caroline Krohn vom LOAD e.V. und der Personal-Branding-Expertin Carline Mohr. Letztere gestand, dass sie die Datenschutzbeauftragten oft bewusst nicht um Erlaubnis frage, da dies ihre Arbeit zu stark einschränken würde. Im Gegensatz dazu äußerte Caroline Krohn ihre Begeisterung für die DSGVO, die sie als ihr Lieblingsgesetz bezeichnete. Die Entscheidung zwischen Wirkung und Werten empfanden beide als Herausforderung. Wer Reichweite braucht, müsse sich oft für die Wirkung entscheiden. Caroline Krohn betonte jedoch, wie wichtig es sei, dass Informationen nicht ausschließlich über Social-Media-Kanäle verfügbar seien, sondern beispielsweise auch auf einer Website. Niemand solle gezwungen werden, eine bestimmte Plattform nutzen zu müssen.

Die Diskussion über Kommunikation auf Social Media warf auch grundlegende Fragen zur allgemeinen Kommunikationsfähigkeit auf. Sind die etablierten Parteien dazu überhaupt in der Lage? Anstatt den Erfolg von einer bestimmten Plattform abhängig zu machen, könnte man auch einfach bessere Reden halten, so Carline Mohr plakativ. Dass nicht nur Ein-Minüter auf TikTok erfolgreich seien, zeigten lange Videos von Wirtschaftsminister Robert Habeck oder dem erfolgreichen YouTuber und Podcaster Rezo. Caroline Krohn zog das Fazit, dass Datenschutz ein Qualitätsgewinn für die Digitalisierung sei.

Mastodon unter den großen Netzwerken noch klein

Wenn die Stiftung Datenschutz einen DatenTag zu Social Media ausrichtet, muss es natürlich auch um das Fediverse gehen. Über dieses Netzwerk als Alternative zu kommerziellen Netzwerken diskutierten Alvar Freude, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg, Philip Kreißel vom Volksverpetzer und Datenschutzexperte Dr. Robert Riemann. Der Volksverpetzer betreibt mit ca. 108.000 Followern einen der reichweitenstärksten deutschsprachigen Mastodon-Accounts. Laut Philip Kreißel ist Mastodon unter den großen sozialen Netzwerken dennoch vergleichsweise klein. Damit es weiterhin funktioniere, müssten viel mehr Menschen mitmachen. Ob die fast ausschließlich ehrenamtlich organisierten Strukturen das stemmen könnten, sei fraglich.

Dr. Robert Riemann sprach sich dafür aus, dass Datenschutzbehörden Mastodon-Instanzen anbieten. Er bewertete es allerdings kritisch, sich dadurch in eine Dienstleistendenrolle zu begeben. Für Alvar Freude war das kein Grund, keine Instanz anzubieten. Er und Philip Kreißel hoben hervor, dass auf Mastodon mehr Interaktion stattfände und auch Personen dort seien, die man anderswo gar nicht erreichen würde. Für Dr. Robert Riemann war die Interoperabilität ein wichtiger Aspekt, zum Beispiel die anstehende Föderation mit dem Meta-Netzwerk Threads.

Das war die perfekte Überleitung zum nächsten Programmpunkt, einem Interview mit Palak Sheth von Meta. Threads sollte von Anfang an ein Platz für öffentliche Diskurse sein. Das Fediverse spiele da eine wichtige Rolle. Palak Sheth betonte mehrfach, dass Threads-Nutzende Wahlfreiheit haben sollen. Die Föderation mit dem Fediverse sei deshalb für Threads-User ein Opt-in-Verfahren und kein automatisches Feature.

Fediverse soll Positionen selbstbewusster vertreten

Wir als Stiftung Datenschutz sind mit einem eigenen Mastodon-Account im Fediverse aktiv. Deshalb ist es uns ein Anliegen, den datenschutzkonformen Betrieb von Instanzen so einfach wie möglich zu gestalten. Ende 2024 haben wir daher einen Leitfaden zum Datenschutz bei Mastodon veröffentlicht. Pünktlich zum DatenTag erschien eine aktualisierte Version, in die Rückmeldungen aus der Fediverse-Community und vom BfDI eingeflossen sind. Hendrik vom Lehn, Referent für Datenschutzrecht bei der Stiftung Datenschutz und Initiator des Leitfadens, sprach mit den drei Autor*innen Dr. Malte Engeler, Jens Kubieziel und Rebecca Sieber.

Dr. Malte Engeler bezeichnete Mastodon als Hoffnungsmoment abseits von kommerziellen Interessen. Er wies aber auch darauf hin, dass das Fediverse durchs rechtliche Raster falle. Die Gesetzgebung sei auf wirtschaftliche Verwertbarkeit ausgerichtet, Freiheitsrechte stünden leider nicht im Fokus. Jens Kubieziel erklärte, dass die Software zwar angepasst werden müsse, der Aufwand sich aber in Grenzen hielte. Rebecca Sieber hat sich in ihrem wissenschaftlichen Aufsatz Gedanken gemacht zur „Chatfunktion“, also zu Nachrichten, die nur die empfangenden Personen sehen können. Für sie fielen diese Nachrichten unter die Definition eines interpersonellen Kommunikationsdienstes. Hier gäbe es aber noch rechtliche Unklarheiten. Insgesamt betonte sie, dass das Fediverse viel selbstbewusster seine Positionen vertreten solle.

Wie relevant das Thema des DatenTags war, zeigten die Fragen und Diskussionen, die sich sowohl vor Ort als auch auf unserem Mastodon-Account und im Livestream entwickelten. Dass sich während der Fragerunden teilweise eine Schlange am Saal-Mikro bildete, werten wir als positives Zeichen dafür, dass auch der gesellschaftliche Kontext beim Thema Datenschutz Beachtung finden sollte.

VIDEO-AUFZEICHNUNG Vorträge und Diskussion

  • Begrüßung

    • Frederick Richter, Stiftung Datenschutz
  • Zwischen Radikalismus und Soft Populism – Unterschätzte demokratiefeindliche Diskurse auf Social Media

    • Prof. Dr. Hanna Klimpe, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
  • Social Media zwischen Politik, unternehmerischer Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung

    • Kirsten Bock, Stiftung Datenschutz
  • Der datenschutzrechtliche Rahmen für soziale Medien

    • Wolfram Felber, Datenschutzexperte, vormals ULD/HmbBfDI
  • Aspekte bei der Social-Media-Auswahl

    • Dr. Thomas Werle, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
  • Die Haltung der Datenschutzaufsicht

    • Dr. Juliane Hundert, Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte
    • Tanja Jost, Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
  • Social-Media-Nutzung zwischen Pfadabhängigkeit und Pfadverantwortung: Wer ist wo präsent und warum?

    • Prof. Dr. Dr. Alexander Moutchnik, Hochschule RheinMain
  • Öffentliche Verantwortung im Social-Media-Bereich

    • Caroline Krohn, AG Nachhaltige Digitalisierung / LOAD e.V.
    • Carline Mohr, Personal-Branding-Expertin
  • Das Fediverse als Alternative?

    • Alvar Freude, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg
    • Philip Kreißel, Volksverpetzer 
    • Dr. Robert Riemann, European Data Protection Supervisor
  • Miteinander der Social Media-Welten

    • Palak Sheth, Meta
  • Der Mastodon-Leitfaden der Stiftung Datenschutz

    • Dr. Malte Engeler
    • Jens Kubieziel
    • Rebecca Sieber
    • Hendrik vom Lehn, Stiftung Datenschutz
  • Schlusswort

    • Frederick Richter, Vorstand Stiftung Datenschutz

DatenTag ZUM HÖREN: Preisgabe von Daten

  • Audio-Vorschaubild

    Begrüßung

    • Frederick Richter, Stiftung Datenschutz
  • Audio-Vorschaubild

    Zwischen Radikalismus und Soft Populism – Unterschätzte demokratiefeindliche Diskurse auf Social Media

    • Prof. Dr. Hanna Klimpe, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
  • Audio-Vorschaubild

    Social Media zwischen Politik, unternehmerischer Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung

    • Kirsten Bock, Stiftung Datenschutz
  • Audio-Vorschaubild

    Der datenschutzrechtliche Rahmen für soziale Medien

    • Wolfram Felber, Datenschutzexperte, vormals ULD/HmbBfDI
  • Audio-Vorschaubild

    Aspekte bei der Social-Media-Auswah

    • Dr. Thomas Werle, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
  • Audio-Vorschaubild

    Die Haltung der Datenschutzaufsicht

    • Dr. Juliane Hundert, Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte
    • Tanja Jost, Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
  • Audio-Vorschaubild

    Social-Media-Nutzung zwischen Pfadabhängigkeit und Pfadverantwortung: Wer ist wo präsent und warum?

    • Prof. Dr. Dr. Alexander Moutchnik, Hochschule RheinMain
  • Audio-Vorschaubild

    Öffentliche Verantwortung im Social-Media-Bereich

    • Caroline Krohn, AG Nachhaltige Digitalisierung / LOAD e.V.
    • Carline Mohr, Personal-Branding-Expertin
  • Audio-Vorschaubild

    Das Fediverse als Alternative?

    • Alvar Freude, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg
    • Philip Kreißel, Volksverpetzer 
    • Dr. Robert Riemann, European Data Protection Supervisor
  • Audio-Vorschaubild

    Miteinander der Social Media-Welten

    • Palak Sheth, Meta
  • Audio-Vorschaubild

    Der Mastodon-Leitfaden der Stiftung Datenschutz

    • Dr. Malte Engeler
    • Jens Kubieziel
    • Rebecca Sieber
    • Hendrik vom Lehn, Stiftung Datenschutz
  • Audio-Vorschaubild

    Schlusswort

    • Frederick Richter, Vorstand Stiftung Datenschutz

Programm

10:00 Uhr
Begrüssung und Moderation
  • Frederick Richter, Vorstand Stiftung Datenschutz
10:05 Uhr
Keynote

Zwischen Radikalismus und Soft Populism – Unterschätzte demokratiefeindliche Diskurse auf Social Media

  • Prof. Dr. Hanna Klimpe, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
10:25 Uhr
Einführung

Social Media zwischen Politik, unternehmerischer Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung

  • Kirsten Bock, Stiftung Datenschutz
10:40 Uhr
Vortrag

Der datenschutzrechtliche Rahmen für soziale Medien

  • Wolfram Felber, Datenschutzexperte, vormals ULD/HmbBfDI
11:10 Uhr
Interview

Aspekte bei der Social-Media-Auswahl

  • Dr. Thomas Werle, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
11:20 Uhr
Gespräch

Die Haltung der Datenschutzaufsicht

  • Dr. Juliane Hundert, Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte
  • Tanja Jost, Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
12:00 Uhr
Vortrag

Social-Media-Nutzung zwischen Pfadabhängigkeit und Pfadverantwortung: Wer ist wo präsent und warum?

  • Prof. Dr. Dr. Alexander Moutchnik, Hochschule RheinMain
12:20 Uhr
Diskussion

Öffentliche Verantwortung im Social-Media-Bereich

  • Christiane Germann, amtzweinull GmbH
  • Caroline Krohn, AG Nachhaltige Digitalisierung / LOAD e.V.
  • Carline Mohr, Personal-Branding-Expertin
13:00 Uhr
Mittagspause
14:00 Uhr
Diskussion

Das Fediverse als Alternative?

  • Alvar Freude, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg
  • Philip Kreißel, Volksverpetzer
  • Dr. Robert Riemann, European Data Protection Supervisor
14:30 Uhr
Interview

Miteinander der Social Media-Welten

  • Palak Sheth, Meta
14:50 Uhr
Projektvorstellung und Diskussion

Der Mastodon-Leitfaden der Stiftung Datenschutz

  • Dr. Malte Engeler
  • Jens Kubieziel
  • Rebecca Sieber
  • Hendrik vom Lehn, Stiftung Datenschutz
15:55 Uhr
Schlusswort
  • Frederick Richter, Vorstand Stiftung Datenschutz
16:00 Uhr
Get together

Geselliger Ausklang

Medienpartner