AUS SICHT DER STIFTUNG DATENSCHUTZ: Das Dateneigentum – Ein Wiedergänger mit Potential?

Ein Beitrag von Frederick Richter, Vorstand der Stiftung Datenschutz

Es gibt Sachen, die gibt es (noch) gar nicht – aber sie werden immer wieder gefordert. Ein mittlerweile schon guter Bekannter in dieser Hinsicht ist das sogenannte Dateneigentum. Alle Jahre wieder solle es an der Zeit sein, ein neues Verfügungsrecht für die digitale Welt zu schaffen. In diesem Jahr wurde der von manchen so genannte „Zombie der Datenpolitik“ wiederbelebt, von der Regierungskoalition auf Bundesebene. In deren Vertrag wird gefordert, die „Frage, ob und wie ein Eigentum an Daten ausgestaltet sein kann“ zügig anzugehen. An anderer Stelle findet sich statt eines solchen Prüfauftrages gar die forsche Feststellung „Die gespeicherten Daten sind Eigentum der Patientinnen und Patienten“.

Informationen oder Daten?

Oft geht es bei der herbeigesehnten Ausweitung der persönlichen Verfügungsgewalt zwar um die in den Daten enthaltenen Informationen. Aber da eine Forderung nach einem „Informationseigentum“ wohl doch zu waghalsig erschiene, beschränkt man sich auf das – juristisch gleichfalls nicht unproblematische – Herbeiwünschen eines neuen Rechts an der Manifestation der Informationen, mithin an den Daten.

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Doch bereits die hier getroffene Unterscheidung ist umstritten (und eine eigene Datenwissenschaft zur Klärung, eine „Datalogie“, gibt es ja auch noch nicht). So versteht die Wirtschaftsinformatik Daten vor allem als zum Zweck der Verarbeitung zusammengefasste Zeichen, die Angaben über Sachverhalte und Vorgänge – mithin Informationen – darstellen. 

Im Mittelpunkt der Forschung von Disziplinen wie Informatik und Informationswissenschaft stehen vor allem Informationen; „Daten“ werden höchstens als sekundäres Konzept herangezogen oder synonym zu „Informationen“ aufgefasst. Der vielfach so bezeichnete Internetphilosoph Luciano Floridi sieht Informationen bestechend einfach als „Daten mit Bedeutung“.

Tauschhandel geht auch ohne

Wie auch immer man die Einordnung vornehmen möchte: Das Bestreben bleibt und macht sich regelmäßig neu bemerkbar, diese zunehmend werthaltigen „Dinge“ namens Daten einer Person in anderer und weiterreichender Weise zuzuordnen, als es das hergebrachte Datenschutzrecht gegenwärtig tut. Letzteres verschafft dem natürlichen Bezugssubjekt mit dem Strukturelement des Verbotsprinzips gleichwohl seit Jahrzehnten eine formal sehr starke Stellung. Falls die Person, auf die sich die Daten beziehen, es will und es aktiv betreibt, so kann sie weitreichenden Einfluss auf das nehmen, was mit diesen Daten geschieht: Sie kann Einwilligungen zur Datennutzung konsequent verweigern, sie kann Daten löschen lassen, und sie kann mittels des neuen Instruments des Rechts auf Vergessenwerden sogar mittelbar Einfluss auf die Verbreitung nehmen.

Auch eine wirtschaftliche Nutzung der die eigene Person betreffenden Angaben kann grundsätzlich erfolgen: Der datenschutzrechtlich mögliche – zwar von vielen nicht erwünschte, doch tagtäglich millionenfach stattfindende – Tauschhandel namens „Gestattung der Datennutzung gegen Gewährung von Dienstleistung“ kann durch die Einwilligung ohne weiteres legalisiert werden.

Ob man es nun als „Bezahlen von Diensten mit Daten“ oder andersherum als „Erwerben von Daten mit Diensten“ betrachtet, bleibt Geschmackssache. Auch ist nicht entscheidend, ob man die dabei vom Betroffenen eingesetzten personenbezogenen Daten als „neue Währung“, Geldersatz oder ähnliches ansähe. Diese Begriffsdiskussion lenkt ebenso von der Ausgangsfrage ab wie die leidige Diskussion, ob Daten denn nun „das neue Öl“ seien – und wenn nein, warum nicht. In der Praxis jedenfalls gibt es den Datentauschhandel längst und im B2C-Bereich in großem Umfang. Ob sich das Datensubjekt dessen stets bewusst ist, ist eine andere Frage.

Keine Sachen und doch werthaltig

Die zivilrechtliche Dimension des Streits um das Dateneigentum soll an dieser Stelle nicht vertieft werden. Obwohl noch im vergangenen Jahr vom Bundesverkehrsministerium gefordert worden war, Daten mit Sachen gleichzustellen, lehnt die Mehrheit der Juristen derlei Vorstöße mittlerweile so vehement ab, dass rechtspolitische Vorstöße zumindest auf dem Gebiet des Sachenrechts kaum noch zu erwarten sind. Interessanter sind da schon alternative Ansätze wie das „repräsentative Dateneigentum“, was die Zuweisung von Zugangsrechten zu Daten in den Fokus rückt oder Anleihen aus dem Recht des geistigen Eigentums, bei deren Übernahme unveräußerliche Rechte an Daten mit der Möglichkeit zur Einräumung von Nutzungsrechten kombiniert würden – in Analogie des Systems von Urheberpersönlichkeitsrechten und Verwertungsrechten.

Eine formale Stärkung

Was könnte nun ein – in welch konkreter Ausgestaltung auch immer – zu schaffendes Dateneigentum positiv bewirken? Es würde zunächst die Stellung der designierten Rechtsinhaber formell stärken. So wäre die Nutzung und Verwertung eines ausschließlich zugewiesenen Rechtsgutes auf Basis einer von anderen Rechtssubjekten vorgenommenen Interessenabwägung kaum noch denkbar. Auch wenn eine Rechtsänderung in dieser Hinsicht nicht zu erwarten ist: Art. 6 Abs. 1 S. 1 f) DSGVO wäre schwer aufrechtzuerhalten. Mehr Kontrolle und eine weitaus größere Zahl von Entscheidungspunkten wären die Folge. Ein echtes Dateneigentum i. S. v. Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG könnte dann nur noch durch gesetzliche Beschränkungen geschmälert werden

Cui bono?

Doch was würde diese auf dem Papier gestärkte Stellung der Datensubjekte für sie praktisch in der vernetzten Welt von heute bedeuten? Würden sie die erstarkten Verfügungsbefugnisse restriktiv im Sinnes eines „Meine Daten gehören mir!“ ausüben und noch weniger Datennutzung gestatten als die oben skizzierte Person, die ihre Rechte aus dem Datenschutzrecht streng ausübt? Die Lebenspraxis der informationell mehr oder minder selbstbestimmten  Bürgerinnen und Bürger spricht dagegen. Wo heute freiwillig und massenhaft Einwilligungen zur Privatsphäre-Ausbeutung im Tausch gegen vermeintlich kostenlose Dienste oder kaum werthaltige „Gegenleistungen“ wie Rabattpunkte oder Gewinnspielchancen erteilt werden, dort würden die stolzen Dateneigentümer der Zukunft wahrscheinlich für die gleichen Tauschobjekte noch tiefer einschneidende Zugeständnisse machen. Sie hätten dann nämlich nicht mehr die Möglichkeit des einfachen Widerrufes, mit dem sie ihre datenschutzrechtliche Einwilligung und damit die gesamte darauf basierende Datennutzung zu Fall bringen können. Sie würden vielmehr „ihre Daten“ dauerhaft aus der Hand geben, womöglich für sehr kleine Münze. Dass gegen Übervorteilungen aufgrund von Informationsasymmetrien viel Aufklärung schützen kann – geschenkt.

Der andere Punkt wiegt schwerer: Es wäre nicht unwahrscheinlich, dass sich fortsetzte, was die oft geforderten Bezahlvarianten digitaler Internet-Angebote ebenfalls voranzutreiben geeignet sind, nämlich eine Segregation der Netznutzenden – in solche, die sich Selbstdatenschutz durch Nutzung von paid content und Behalten ihres Dateneigentums leisten können und solche, die mangels Solvenz Tracking-gesättigte Kostenlos-Dienste nutzen und ihr Dateneigentum liquidieren müssen.

In welche Richtung uns die laufende rechtspolitische Diskussion auch führen mag, abschließend sei ein Hinweis in eigener Sache gestattet: Der diesjährige Band der von der Stiftung Datenschutz herausgegebenen Buchreihe DatenDebatten wird sich mit vielen Facetten des Dateneigentums, dem Wert von Daten und dem Handel mit ihnen befassen. Der Sammelband wird am 22. November in Berlin im Rahmen einer Tagung dieses Verlages vorgestellt werden.

Der Beitrag ist im Fachmagazin PinG erschienen.