Social-Media-Verbote für Jugendliche – sollte eine Altersverifikation stattfinden und kann sie datenschutzkonform sein?
11. Dezember 2025Australien hat im Eilverfahren ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige eingeführt – gestützt auf Altersprüfungen, bei denen sich erst im laufenden Betrieb zeigt, inwieweit sie funktionieren. Unter 16-Jährige dürfen auf großen Plattformen wie TikTok, Instagram, Snapchat, Facebook oder YouTube keine Konten mehr anlegen und ihre bestehenden Konten werden gesperrt. Die Anbieter müssen das Alter ihrer Nutzenden überprüfen, wobei sie auch externe Dienstleister hinzuziehen können. Das Verbot betrifft allerdings nur ausgewählte große Dienste – andere Plattformen bleiben weiterhin zugänglich.
Laut Tagesschau prüfen die Unternehmen das Alter per Ausweis, Gesichtserkennung und Online-Spuren; Expert*innen gehen besonders bei 15–17-Jährigen von anfangs hohen Fehlerquoten aus. Wir werfen einen Blick auf eine Umfrage des Eco-Verbands: Auch in Deutschland befürwortet die Mehrheit der Befragten (82 %) eine Altersgrenze für Social Media, hält sie aber mehrheitlich (54 %) für praktisch kaum umsetzbar.
Wer soll die Altersverifikation durchführen?
Heise berichtet, dass es in den USA einen neuen Gesetzesvorschlag gibt, der vorsieht, dass nicht mehr die App-Entwickler selbst, sondern große App-Store-Betreiber wie Apple und Google für die Alterskontrolle ihrer Nutzenden verantwortlich sein sollen. Das geplante Bundesgesetz („App Store Accountability Act“) baut auf Regeln auf, die es in einigen Bundesstaaten schon gibt. In Utah etwa müssen Apple und Google bereits das Alter der Nutzenden prüfen, weitere Staaten überlegen nachzuziehen. Apple sei Berichten zufolge wenig begeistert von der Idee. Der Konzern möchte ungern genaue Altersdaten oder andere persönliche Informationen an App-Entwickler weiterreichen.
Verbesserung der Rahmenbedingungen anstelle von Verboten?
Das Netzwerk European Digital Rights (EDRi) äußert deutliche Kritik an aktuellen Maßnahmen zur Altersverifikation. Sie würden Grundrechte einschränken, ließen sich leicht umgehen und erzeugten sogar neue Risiken für Datenschutz, Sicherheit und gesellschaftliche Teilhabe. Die Maßnahmen würden auf Ausschluss statt auf strukturelle Verbesserungen setzen: Sie würden besonders marginalisierte Gruppen treffen und durch massenhafte Datenerhebung die Angriffsfläche für Hacks und Missbrauch erhöhen. EDRi geht davon aus, dass eine trügerische Sicherheit vermittelt werde und es zu politischer Zweckentfremdung kommen könne. Der Vorschlag des EDRi-Netzwerks: Konsequente Durchsetzung bestehender Regeln sowie Unterstützung für Eltern, Lehrkräfte und junge Menschen. Es wird betont, dass ein sichereres Internet durch bessere Rahmenbedingungen entsteht und nicht durch digitale Ausweiskontrollen für alle.
Altersverifikation über Geräte statt Identität?
Epicenter.works stellt neue Ideen für Alterskontrollen im Netz vor: Die Plattform geht in ihrem Beitrag darauf ein, dass in vielen Ländern derzeit Altersverifikationspflichten diskutiert werden, die oft auf Ausweisdaten oder KI-gestützte Schätzverfahren setzen. Solche Modelle führen zu Überwachung, Fehlentscheidungen und dem Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen. Außerdem existieren bereits Datenschutz- und Plattformregeln, deren mangelnde Durchsetzung bei großen Tech-Konzernen ein Kernproblem bleibt. Der Text stellt einen alternativen Ansatz vor: Statt die Identität aller Internetnutzenden zu erfassen, sollen ausschließlich Geräte von Kindern altersgerecht konfiguriert werden.
Betriebssysteme oder Browser könnten dann über einen einfachen, offenen Standard mitteilen, dass ein Gerät von einer minderjährigen Person genutzt wird, ohne personenbezogene Daten weiterzugeben. Websites und Apps müssten darauf reagieren und jugendgefährdende Inhalte blockieren oder Funktionen einschränken. Für Erwachsene und Geräte ohne Altersmarkierung bliebe alles wie bisher. Das Modell soll inklusiver sein, weniger Daten preisgeben und die Durchsetzung bestehender Jugendschutzregeln erleichtern. Es erkennt aber auch an, dass technische Maßnahmen nie vollständig vor Umgehung schützen können.
Unsere Wissenschaftliche Leiterin Kirsten Bock sieht Verbote und Altersverifikationen nicht als die Lösung des Problems:
„Kinder und Jugendliche müssen den Umgang mit sozialen Medien lernen, wie sie auch lernen, sich im Straßenverkehr zu bewegen. Technische Vorkehrungen sind, wie der Fahrradhelm, eine Möglichkeit, einen Basisschutz umzusetzen. Unter den problematischen Angeboten im Internet ‚leiden‘ nicht nur Kinder und Jugendliche. Sie auszuschließen ändert wenig. Stärker im Fokus stehen sollte die Begleitung der Nutzung, verbesserte Möglichkeiten über verstörende Inhalte zu sprechen und Hilfsmöglichkeiten bei Fehlverhalten Dritter. Der eigentlich sinnvolle Schutzgedanke sollte nicht dazu missbraucht werden, die Altersverifikation als Vehikel für eine Klarnamen- und Identifikationspflicht zur Nutzung sozialer Medien einzuführen. Schließlich darf nicht unter den Tisch fallen, dass auch die Nutzung und der Umgang mit sozialen Medien einen wichtigen Lernbaustein für das Erwachsenwerden darstellen.“