AUS SICHT DER STIFTUNG DATENSCHUTZ - Bargeld und Transparenz
Auch die Wirtschaftswissenschaft gab sich skeptisch: Von 184 im ifo-Ökonomenpanel im März befragten Volkswirtschaftsprofessoren hielten mehr als die Hälfte sogar wirtschaftliche Nachteile in der Folge von Bargeld-Einschränkungen für realistisch. Abgesehen von möglichen handfesten negativen Auswirkungen war es gleichwohl richtig, dass auch das Grundsätzliche betont wurde. So hatte es der F.A.Z.-Herausgeber Steltzner getan: „In einer Welt, in der alles, was man kauft und konsumiert, verfolgt wird, gibt es keine Privatheit mehr, sondern herrscht die perfekte Kontrolle“.
Stets für den guten Zweck
Die Ziele der Idee einer Zahlungsmitteleinschränkung sind wenig neu: Verbessert werden sollen Steuerzahlung und Geldwäschebekämpfung sowie natürlich Terror- und Kriminalitätsbekämpfung. Geeignetes Mittel hierzu wäre es, die Menschen verstärkt – oder eines Tages komplett – in einen überwachbaren Bereich der Zahlungsmittel hineinzudrängen, weg vom noch anonym möglichen Barzahlen und hin zu grundsätzlich nachverfolgbaren elektronischen Alternativen. Fiskalpolitisch läge der Vorteil auf der Hand, denn wo kaum noch Bargeld, da auch kaum noch Schwarzgeld.
Und immer: „Verbergen & Befürchten“
Zu erwarten ist, dass sich die Befürworter dieser weiteren Einschränkung bürgerlicher Freiheit einer Abwandlung des bekanntesten Arguments für staatliche Überwachung von Kommunikation und Datenströmen bedienen werden: Wer keine illegalen Dinge mit seinem Geld erwerbe, der brau- che die Nachvollziehbarkeit seiner Finanzbewegungen auch nicht fürchten. Abgesehen davon, dass jedes humane Subjekt als einzigartiges Individuum immer irgendetwas zu verbergen hat, muss dem mit einem klaren Wort entgegengetreten werden: Entscheidungsfreiheit. Der Staat sollte die Zahlungsautonomie nicht ohne Not einschränken.
Anders verhält es sich mit Blick auf die Praxis: Dort ist das Bargeld längst auf dem Rückzug – teils sogar gutgeheißen von den Bürgern, deren Schutzbedürftigkeit die Bargeldbefürworter in der Debatte so oft bemühen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden mehr und mehr daran gewöhnt, bereits kleinste Beträge ohne Papierstreifen und Metallstücke zu begleichen. Es ist durchaus denkbar, dass ein Blick in bargeldarme Länder wie Dänemark und Schweden gleichzeitig ein Blick in eine bargeldlose Zukunft ist.
Wenn der Markt die Zahlungsmöglichkeiten eines Tages selber verändert, ergäbe sich eine neue Lage. Durchaus denkbar ist, das statt des heute verbreiteten „bei uns keine Kartenzahlung möglich“ zukünftig Schilder an Geschäftslokalen hängen: „hier keine Barzahlung mehr möglich“. Die Vertragsfreiheit erlaubt eine private Bargeldbeschränkung bereits heute – nur wird sie aufgrund der universellen Akzeptanz von Bargeld (noch) nicht praktiziert. Falls es dazu kommt, könnte es am Staat sein, Autonomie und Wahlfreiheit der Bür- ger sicherzustellen. Dann wäre zu diskutieren, ob zum Privatheitsschutz eine Barzahlungsmöglichkeit vorzuschreiben wäre.
Durchsichtig vs. Undurchsichtig
Worum geht es bei dieser Debatte um Geld, Kontrolle und Privatheit? Es geht um den Widerstreit zweier bekannter Antagonisten: Der Datenschutz will Subjekte und Sachverhalte undurchsichtiger machen, die Transparenz hingegen will sie durchsichtiger machen. Beide Streiter haben isoliert betrachtet guten Leumund – wer ist schon grundsätzlich gegen Transparenz? Doch muss natürlich in einer Art unterschieden werden, wie es die organisierte Informatikerzunft bereits seit den 1980er Jahren tut. Damals nahm der Chaos Computer Club folgenden Leitspruch in seine sogenannte Hacker-Ethik auf: „Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen!“
Das soll an dieser Stelle nicht missverstanden werden als Aufruf zum Hacken öffentlicher Datenbanken. Allein der Kern ist entscheidend: Staatliches Handeln sollte so durchsichtig wie möglich sein. Denn der Souverän ist die Bürgergesamtheit, welche den öffentlichen Institutionen deren Gewalt erst demokratisch verleiht und ihnen im Gesetzeswege Freiheitsbeschränkungen erst erlaubt. Und der Souverän darf erwarten, dass mit der von ihm verliehenen Macht nachvollziehbar, mithin transparent, umgegangen wird. Wenn es dagegen um die Datensubjekte geht, dann darf man verlangen, dass deren Ver- halten zunächst grundsätzlich undurchsichtig bleibt. Der Bürger sei nicht luzid, sondern opak. Begrenzen kann diese Undurchsichtigkeit nur der Staat, durch verfassungsmäßige Gesetze. Bekanntermaßen ist jeder Staat latent bis massiv kontrollinteressiert, doch bleibt es rechtspolitischer Wunsch aller Datenschützer, dass der Gesetzgeber seinen verfassungsmäßigen Spielraum nicht ohne Not ausreizt.
Der Bürger kann sich aus dem beschriebenen Idealzustand einer „Intransparenz per Voreinstellung“ herausbegeben und sich selber transparent machen – bis hin zu netzbasiertem Exhibitionismus. Die Entscheidung hierüber sollte aber seine Privatsache sein. Sie sollte im freiheitlichen Grundrechtsstaat seiner informationellen Selbstbestimmung und freiwilligen Selbstgefährdung vorbehalten bleiben.
Das gilt auch an der Kasse.
Dieser Aufsatz ist erschienen in PinG 03/16.
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