"Datenschutz muss von uns allen begriffen werden!"
31. März 2016, 15:47 UhrEine Veranstaltung der Stiftung Datenschutz und der Hanns Seidel Stiftung
Auf dem Podium
Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht
Stephan Mayer, MdB, CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
Prof. Dr. Kai v. Lewinski, Universität Passau
Werner Herrmann, Konzerndatenschutzbeauftragter UniCredit Bank
Moderation: Prof. Dr. Peter Bräutigam, Vorsitzender des Beirats der Stiftung Datenschutz
"Datenschutz muss von uns allen begriffen werden!"
Unter dem Titel "Die Europäische Datenschutzreform und ihre Auswirkungen auf Recht und Wirtschaft" hatte die Stiftung Datenschutz Ende März nach München eingeladen. Die in Kooperation mit der Hanns-Seidel-Stiftung durchgeführte Tagung beschäftigte sich mit den Folgen, die die herannahende Datenschutzgrundverordnung vor allem für Unternehmen haben wird. Ihre Perspektiven und Einschätzungen zur Zukunft des Datenschutzrechts diskutierten Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Datenschutzaufsicht.
Gleich zu Beginn stellte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Stephan Mayer, in seiner Keynote fest, dass die EU-DSGVO eine erhebliche Verbesserung gegenüber der alten Richtlinie darstellt. Die in die Grundverordnung aufgenommenen Grundsätze - etwa das Marktortprinzip, die Pseudonymisierung der Daten oder auch das in Artikel 17a implementierte "Recht auf Vergessen" - können dazu beitragen, dass der Datenschutz in Europa sich zu einem Wettbewerbsvorteil entwickelt. Im Hinblick auf das transatlantische Verhältnis erwarte Mayer, dass bei dem geplanten "Privacy-Shield" praktikable Lösungen gefunden werden und dass für die EU-Bürger in den USA dieselben Datenschutzstandards durchgesetzt werden wie in Europa. Schließlich stellte er im Hinblick auf die aktuellen Streitigkeiten zwischen Apple und US-Sicherheitsbehörden einen generellen Bewusstseinswandel zugunsten des Datenschutzes bei den US-amerikanischen IT-Unternehmen fest, was aus seiner Sicht nicht zuletzt auf die EU-Initiativen aus der jüngsten Vergangenheit zurückzuführen sei.
Der sich selbst als "Vertreter des Elfenbeinturms" bezeichnende Passauer Rechtswissenschaftler Professor Kai v. Lewinski suchte eine gesamtheitliche Perspektive auf die gegenwärtige Entwicklung des europäischen Datenschutzrechts darzustellen. Seiner Meinung nach befinden wir uns gegenwärtig in einer Phase des "Abschieds vom Gewöhnten", und zwar mit einem offenen Ausgang. In dieser Phase werden die herkömmlichen Grundsätze des Datenschutzes wie Zweckbindung - aber auch die klassischen Rechtswege, wie das Anrufen des Bundesverfassungsgerichts - transformiert, ohne dass wir heute eine genaue Vorstellung davon haben können, wie die zukünftige Datenschutzregulierung tatsächlich aussehen wird.
Neue Herausforderungen seien die Umstrukturierung der Datenschutz-Aufsicht (welche vorerst unklare Verantwortlichkeitsverhältnisse erzeugt) sowie unklare Rechtsschutzmöglichkeiten für Verarbeiter, aber auch die zunehmend politisierte Debatte. Eine positive Entwicklung durch die Datenschutzreform sehe er vor allem darin, dass der Datenschutz gesamthafter (im Bereich des Kartellrechts und des Vorfeldschutzes), marktkonformer (Stichwort "Dateneigentum" und "Market Privacy") und aufgrund des Informationsgleichgewichts gesellschaftlicher wird. Nichtsdestotrotz kann die Grundverordnung den Anspruch auf eine völlige Neuregulierung des Datenschutzrechts nicht gänzlich auflösen - dies bleibt aus seiner Sicht weiterhin eine wichtige Zukunftsaufgabe.
Die Perspektiven für den deutschen Mittelstand unter der europäischen Datenschutzreform wurden von Werner Hermann, Konzerndatenschutzbeauftragter der UniCredit Bank, beleuchtet. Zwar sehe auch er in der Reform positive Entwicklungen: in der Rechtsvereinheitlichung, in der Erleichterung des Einwilligungsprozesses, in der Möglichkeiten zur Zertifizierung von IT-Sicherheit oder auch in der Regelung der "Joint controllers". Aus der Sicht des Mittelstandes erachte er allerdings die hohen Umsetzungskosten für die neuen Datenschutzvorschriften als problematisch. So bedeutet beispielsweise die Erweiterung der Kundenrechte im Bereich der Daten-Portabilität einen sehr hohen personellen und finanziellen Aufwand, der von einem mittelständischen Unternehmen nicht ohne weiteres so zu bewältigen ist, wie es bei einem Großkonzern der Fall sein dürfte. Das gleiche gilt für den Aufbau des Datenschutz-Managementsystems, die umfassenden Informations- sowie Dokumentationspflichten. Die vorgesehenen hohen Bußgelder erfordern außerdem ein ganz neues Risikokalkül.


In der anschließenden Podiumsdiskussion, an der auch Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht, teilnahm, wurden vor allem die Themen der Angleichung des europäischen Datenschutz-Niveaus, der Zertifizierung sowie des Verhältnisses zwischen der Freiheit und der Sicherheit im digitalen Raum diskutiert. So betonte Thomas Kranig, dass der Aufgabenkatalog für die Aufsichtsbehörden aus der Grundverordnung zwar groß sei, aber was den Grundrechtschutz betrifft, eine eindeutige Verbesserung gegenüber der vorherigen Situation festzustellen sei. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, müssen außerdem zukünftig einheitliche Zertifizierungskriterien entwickelt werden - so Kranig. Unter der Beteiligung des fachkundigen Publikums wurde außerdem diskutiert, wie der Datenschutz angesichts der zunehmenden Überwachungsfunktion zugleich auch an Überzeugungskraft gewinnen könne.
Thomas Kranig appellierte, dass der Datenschutz als Aufgabe von uns allen begriffen werden muss - sowohl in den alltäglichen Entscheidungen bei der Datennutzung als auch durch die Bereitschaft, auf die Aufsichtsbehörden proaktiv zuzugehen. In gleiche Richtung argumentierte Abgeordneter Mayer als er betonte, dass die Sensibilisierung des Mittelstandes für Datenschutzfragen nicht repressiv, sondern durch Aufklärung erfolgen müsse - hier können Institutionen wie die Stiftung Datenschutz zukünftig eine entscheidende Rolle spielen.
Mehr zur Veranstaltung auf der Homepage der Hanns-Seidel-Stiftung.