AUS SICHT DER STIFTUNG DATENSCHUTZ – Datenschutz – kein Wahlkampfschlager (?)

Das Thema Datenschutz gehört zu den Themen, die in jedem Wahlprogramm irgendwie und irgendwo vorkommen, jedoch fast nie fettgedruckt und weit vorne platziert. In diesem Jahr, mit drei Landtagswahlen und der kommenden Wahl im Bund, fällt dies einmal mehr auf. Ansatzpunkte zur Positionierung und Differenzierung gäbe es gleichwohl genug.

 

Angesichts der notorischen personellen Unterausstattung nahezu sämtlicher Landesdatenschutzbehörden wäre es zum Beispiel zu erwarten, dass interessierte politische Kräfte eine massive Aufstockung derer Kapazitäten fordern – erst recht angesichts neuer Aufgaben aus der EU-Datenschutzreform. Fundierte Empfehlungen seitens der Wissenschaft liegen vor. So hat Prof. Roßnagel von der Universität Kassel Anfang des Jahres in einer Studie den allein durch die DSGVO entstehenden zusätzlichen Personalbedarf bei den Landesaufsichten auf jeweils zwischen 24 und 33 Stellen geschätzt. Am Beispiel von Nordrhein-Westfalen zeigt sich, dass die tatsächliche Personalausstattung hinterherhinkt. So wurden zur Anpassung an die neuen europäischen Regelungen gerade einmal neun neue Stellen geschaffen.

Es gäbe viel zu fordern

 

Aufgegriffen wurde dieser offensichtliche Missstand zu den Landtagswahlen dieses Jahres derweil kaum, wie eine exemplarische Betrachtung der zurückliegenden Wahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland zeigt. So taucht der Datenschutz bei der CDU als Wahlgewinnerin von Nordrhein-Westfalen im Wahlprogramm als eigener Punkt gar nicht erst auf. Er wird lediglich am Rande erwähnt – wenn es darum geht, inwieweit den Kommunen eine Videoüberwachung im öffentlichen Raum ermöglicht werden könne.

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Bei der SPD als zweitplatzierter Partei wird der Datenschutz im Wahlprogramm zumindest angeführt, wenn es um die Rahmenbedingungen der digitalen Wirtschaft geht: „Wenn große Datenmengen immer mehr über wirtschaftlichen Erfolg und Misserfolg entscheiden, gewinnen auch Datensicherheit und Datenschutz eine immer größere Bedeutung“. Außerdem wollten die Sozialdemokraten „eine datenschutzrechtliche Strategie auf den Weg bringen, um Cyber-Spionage besser zu verhindern“.

Ein Thema der Kleinen?

Bei den kleineren Parteien ergibt sich am Beispiel von Nordrhein-Westfalen ein gemischtes Bild: Die AfD erwähnt den Datenschutz nicht gesondert; lediglich beim gefordertenErhalt des Bargeldes wird er im Wahlprogramm 2017 als Stichwort gebracht.

Die FDP wird schon konkreter. Sie warb u. a. schon in den vorangestellten Kernpunkten ihres Landtagswahlprogrammes mit einem „NRW-Datenschutzsiegel“ zur Verbesserung von Datenschutzstandards in Unternehmen. In einem ganzen Kapitel geht es dann um „Bürgerrechte und Datenschutz“, wo man sich gegen die Vorratsdatenspeicherung und für mehr Aufklärungsmaßnahmen ausspricht. 

Die GRÜNEN schließlich widmeten zur NRW-Wahl dem Datenschutz den meisten Raum im Programm, an diversen Stellen wird er erwähnt und in andere Forderungen einbezogen. In einem eigenen Kapitel wird zudem auf den Erfolg einer gestärkten Aufsichtsbehörde hingewiesen. 

Eine geringe Priorität des Themas im Wahlkampfangebot wäre dann folgerichtig, wenn es auf der Nachfrageseite – sprich: bei den Bürgerinnen und Bürgern – ebenfalls keine große Rolle spielte. Auch, wenn es viele der die Bürgerrechte engagiert Verfechtenden kaum wahrhaben wollen: Es stimmt anscheinend.

 

Angebot und Nachfrage

Der Wahlausgang erlaubte zwar keine klare Bewertung aus einer auf Datenschutzthemen zentrierten Sicht. Doch lässt sich – einmal eingegrenzt auf dieses Thema – festhalten, dass die GRÜNEN trotz starker Datenschutzbetonung verloren haben und die CDU trotz fehlender Datenschutzbetonung gewonnen hat. Auch wenn das tatsächliche Abschneiden der politischen Parteien bei Wahlen hauptsächlich andere Gründe haben mag: Fast scheint es, als nützt das Thema beim Werben um Wähler ebenso wenig wie eine Auslassung dort schadet. Seien wir also gespannt auf die Bundestagswahl. Noch ist nicht bekannt, welche Themen die Agenda in der heißen Wahlkampfphase bestimmen werden.

Doch Hellseher brauche ich nicht zu sein, um zu wissen, dass es der Datenschutz ganz sicher nicht sein wird – selbst wenn in wenigen Wochen ein neuer Edward Snowden die Weltbühne beträte. Es ginge dann nämlich das Angebot an der Nachfrage vorbei. Umfragen zufolge sind das Flüchtlingsthema und die innere Sicherheit beherrschend; Datenschutz läuft gewohntermaßen unter „Sonstiges“.

Compliance im Wahlkampf

Wenn es aber darum geht, die wahlentscheidenden Themen rechtskonform zu bewerben, dann hat der Datenschutz alle zu interessieren – allein schon, um sich nicht angreifbar zu machen. Ob datenpolitische Themen eine Rolle spielen oder nicht: Geltendes Datenschutzrecht muss immer eingehalten werden. Ein „Vorsprung durch Rechtsbruch“ auf Kosten der Privatsphäre wäre sicher kein guter Ausweis wohlverstandener Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern, um deren Stimmen man wirbt.

Als Dialogplattform zwischen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft wollen wir daher unseren Teil dazu beitragen, eine Brücke vom oft abstrakt daherkommenden Datenschutzrecht zur Praxis vor Ort zu schlagen. Deswegen haben wir eine übersichtliche Handreichung erstellt, die wir den Abgeordneten des Deutschen Bundestags und den politischen Parteien für den beginnenden Wahlkampf im Bund zur Verfügung stellen. Auch allen anderen Interessierten steht das Informationsmaterial natürlich zum kostenlosen Herunterladen auf unserer Webpräsenz bereit.

Der Beitrag ist im Fachmagazin PinG erschienen.