DatenTag: Die ePrivacy-Verordnung – wo stehen wir?

10. Januar 2018, 15:42 Uhr

Zum Stand der Gespräche in Brüssel informierte Dr. Daniela Brönstrup, vom federführenden Bundeswirtschaftsministerium: Derzeit seien noch zahlreiche Fragen offen. Die Ergebnisse des Trilogs zwischen EU-Rat, EU-Parlament und Europäischer Kommission seien frühestens Ende 2018 zu erwarten. Das BMWi strebe ausgewogene Regelungen an, damit Datenschutz als Wettbewerbsvorteil wirken kann.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff erklärte die Notwendigkeit einer gesetzlichen Spezialregelung über die DSGVO hinaus mit der besonderen Bedeutung der Kommunikationsdaten für den Grundrechtsschutz. Die einseitig negativen Erwartungen der Werbewirtschaft bedauert Voßhoff, und ermutigte sie, intelligente, datenschutzfreundliche Alternativen zu entwickeln.

Kristin Benedikt vom Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht erläuterte die Wechselwirkungen von ePrivacy-Verordnung und EU-Datenschutzgrundverordnung und unterstrich die beratende Rolle der Datenschutzaufsichtsbehörden.

Birgit Sippel, MdEP und zuständige Berichterstatterin des Europäischen Parlaments betonte, die Vertraulichkeit der Kommunikation sei Voraussetzung für die Ausübung aller Bürgerrechte. Bei allem Druck auf die Medienunternehmen sei es an den Verlagen, neue Finanzierungsmöglichkeiten zu finden, denn Klickzahlen allein seien kein Kriterium für journalistische Qualität.

Axel Voss (CDU), MdEP der EVP-Fraktion, forderte, die Chancen der Digitalisierung mutig zu nutzen. An Datenschutz als Wettbewerbsvorteil glaube er nicht, da es für viele Angebote keine gleichwertige, datenschutzfreundliche Alternative gebe. Anzustreben sei der Ausgleich zwischen Grundrechten und wirtschaftlichen Interessen.

Die Konsumforscherin Prof. Dr. Lucia Reisch von der Copenhagen Business School ist Vorsitzende des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen. Sie erläuterte anhand psychologischer, neurowissenschaftlicher und soziologischer Erkenntnisse, warum Voreinstellungen so wirksam sind.

Dr. René Arnold vom Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) erläuterte die vom BMWi beauftragte Studie “Auswirkungen der ePrivacy-Verordnung auf werbefinanzierte digitale Geschäftsmodelle“. Sie kommt zu dem - kontrovers diskutierten - Ergebnis, dass die ePrivacy-Verordnung die europäische Digitalwirtschaft nachhaltig schädigen könnte, ohne dass das Datenschutzniveau für die Verbraucherinnen und Verbraucher tatsächlich steigt. Insbesondere brächten „Privacy by Default“-Browsereinstellungen keinen Transparenzvorteil für die Verbraucher.

Patrick Tapp, Präsident des Deutschen Dialogmarketing Verbands, hob die Bedeutung der werbe- und marketingtreibenden Wirtschaft für die Volkswirtschaft hervor. Deren Ausgaben ermöglichten die kostenlose Nutzung vieler Angebote. Die Werbetreibenden seien darauf angewiesen, ihre Investitionen nachvollziehen zu können: Tapp unterstrich, dass sie dazu verwendeten Nutzerdaten anonymisiert seien; von „Ausspähung“ könne daher keine Rede sein. Tapp betonte die Bereitschaft der Branche, sich an der Verordnung auszurichten, und appellierte an die Politik, die berechtigten Interessen der Unternehmen zu unterstützen.

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands e.V. begrüßte, dass die ePrivacy-Verordnung auch die sensiblen Metadaten schützen und die Einwilligung aufwerten soll. Die Werbewirtschaft könne kein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung sensibelster personenbezogener Daten geltend machen. Müller kritisierte die WIK-Studie, räumte aber ein, bestimmte Geschäftsmodelle hätten keine Zukunft. Für die künftige Finanzierung digitaler Inhalte prognostiziert er einen Mix aus personenbezogener Werbung auf Basis der Einwilligung, aus nicht-personenbezogener Werbung und aus Abo-Modellen.

Rechtsanwalt Prof. Niko Härting kritisierte die ePrivacy-Verordnung als handwerklich schlecht: Erforderlich seien nun zahlreiche Erlaubnistatbestände, die wiederum mit unbestimmten Rechtsbegriffen und auslegungsbedürftigen Formulierungen arbeiten müssten. Daher prognostizierte Härting umfangreiche Rechtsstreitigkeiten.

 

 

Ingo Dachwitz, der die Entstehung der ePrivacy-Verordnung auf netzpolitik.org aus Sicht der Bürgerrechte und eines „Digital Natives“ begleitet, sieht den Entwurf als „Etappensieg“ für die Grundrechte und warb für eine Versachlichung der Diskussion.

Lebhaft ging es auch in der abschließenden Podiumsdiskussion zu:

Prof. Dr. Jürgen Fiedler, Verband der Zeitschriftenverleger, kritisierte das Kopplungsverbot als ein Verbot des Vertragsmodells „Nutzung des Inhalts gegen Nutzerdaten“ und sagte massive Einbußen bei den privat finanzierten Medien voraus. Er verwies er auf den grundrechtlichen Schutz der Datenverarbeitung, so durch die Rechte auf Berufsfreiheit, die Presse- und Meinungsfreiheit.

Marit Hansen, Landesbeauftragte für den Datenschutz Schleswig-Holstein, teilte die Kritik an der Einwilligung und an Defaults, und empfiehlt, technische Lösungsmöglichkeiten stärker in die Betrachtungen einzubeziehen. Die ePrivacy-Verordnung biete, anders als die DSGVO, auch Möglichkeiten, auf die Hardware-Hersteller einzuwirken.

Nico Härting versuchte sich als Brückenbauer zwischen den widerstreitenden Ansichten und empfahl, pragmatische Lösungen zu suchen. So gebe es z.B. beim Einsatz von Website-Trackern noch sehr viel Wildwuchs.

Abschließend resümierte Stiftungsvorstand Frederick Richter, die Veranstaltung habe einmal mehr gezeigt: Die Wirtschaft braucht Raum für Ideen und ein immer digitaler werdendes Miteinander setzt zugleich einen starken Datenschutz voraus. Die Stiftung Datenschutz werde den weiteren Gesetzgebungsprozess intensiv begleiten. Erhalten Sie weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung auf unser Veranstaltungsseite.

Der ursprüngliche Brüsseler Plan, dass die neuen Regeln zum Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation zeitgleich mit der DSGVO inkraft treten würden, erscheint mittlerweile obsolet. Mit einer pünktlichen Einigung auf neue Regeln im europäischen Trilogverfahren rechnen nurmehr wenige Beobachter. Doch unabhängig von der immensen Herausforderung, das neue Regelwerke mit der DSGVO zu verzahnen, stellen sich inhaltliche Fragen. 

Es fällt auf, dass im ePrivacy-Entwurf voll auf die Einwilligung gesetzt wird. Grundsätzlich ist das im Sinne der informationellen Selbstbestimmung zu begrüßen. Doch praktisch bestehen Bedenken. Denn eine echte, informierte Einwilligung ist eher eine gesetzgeberische Wunschvorstellung denn ein Teil des Alltags der Menschen. Bereits die DSGVO liefert für das Problem der unzureichenden Informiertheit der Verbraucherinnen und Verbraucher keine befriedigende Lösung. Zwar gibt es viele Vorgaben zur Verständlichkeit von Einwilligungsanfragen. Doch kann etwas nicht verstanden werden, das schlicht nicht gelesen wird. Die „blinde“ Einwilligung ist im Lebensalltag der Regelfall. Es bleibt zu hoffen, dass die Nutzerschaft durch die notorischen Cookie-Banner noch nicht zu abgestumpft ist, um sich unter der ePrivacy-Verordnung den Einwilligungsmechanismen wieder bewusster zu nähern. 

Wir haben beteiligte Expertinnen und Experten eingeladen, ihre Perspektive auf die ePrivacy-Reform zu erörtern und möchten auch Ihre Sichtweisen und Argumente dazu kennenlernen.