DatenTag: Innovation & Datenschutz im digitalen Hamburg

24. Februar 2017, 01:00 Uhr

Datenschutz und Innovation gehören zusammen

Die Stiftung Datenschutz mit Sitz in Leipzig brachte Ende Februar in der Hansestadt Hamburg knapp 150 Menschen zusammen, um endlich mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass Datenschutz und Innovation im Gegensatz zueinander stehen. "Wir möchten die Akteure aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenbringen, um die Diskussion zum pragmatischen und effektiven Datenschutz zu fördern," eröffnete Stiftungsvorstand Frederick Richter den DatenTag. Ein einheitliches Datenschutzrecht steht mit der am 25. Mai 2018 in Kraft tretenden EU-Datenschutz-Grundverordnung unmittelbar vor der Durchsetzung - wie die Unternehmen damit umgehen und wie die Datenschutzszene die Reform sieht, war Teil der Diskussion. Ein Datenschutz muss pragmatisch sein und einheitlich angewandt werden, erklärte Richter seinen Standpunkt dazu. Somit war das Feld für eine spannende Diskussion bestellt.

Der DatenTag Hamburg im Film

Die Filme der Vorträge und der Podiumsdiskussion des DatenTages Hamburg finden Sie in der rechten Spalte unter "Weiterführende Links".

Mit seinem Petitum zur Verbindung von Datenschutz und Innovation rannte Richter auch beim anwesenden Justizsenator der Freien und Hansestadt Hamburg Dr. Till Steffen offene Türen ein: "Ich habe in letzter Zeit mit wohlwollendem Interesse wahrgenommen, dass große Unternehmen auf Datenschutz und Datensicherheit in ihrer Kommunikation setzen." Damit trüge die Wirtschaft endlich der marktstrategischen Bedeutung des Themas Rechnung. Unabhängig von der wirtschaftlichen Perspektive gab der Grünen-Politiker ein klares Bekenntnis zur Privatsphäre: „Datenschutz ist eine Ressource der Freiheit.“ Eine Aussage, die in Zeiten von Überwachung oder Repression in Nahost umso mehr Bedeutung erhält. 

Zurück zu den juristischen und wirtschaftlichen Implikationen der Datenschutz-Grundverordnung: Die Nutzung von Daten bietet verschiedene Möglichkeiten – ein Plädoyer dafür, gewonnene Daten zum Wohle aller zu nutzen, hielt Uwe Becking von IBM. Der Direktor für strategische Geschäftsentwicklung beim Software-Riesen stellte die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz und Big Data vor: medizinische Fortschritte, schnelle Bearbeitung von Akten bei Behörden oder die Verfügbarkeit des geballten Wissens der Welt in Sekundenschnelle.“ Dies warf Fragen in Richtung Datensicherheit und Selbstbestimmung auf, die bei der Veranstaltung selbst nicht geklärt werden konnten. 

Etwas grundsätzlicher für eine Nutzung von Daten setzte sich Internetexperte und Start-up-Berater Nico Lumma ein. Der Bild-Kolumnist und Ko-Vorsitzende des Think Tanks D64 sprach sich für eine größere Offenheit gegenüber neuen Geschäftsmodellen aus. In der Diktion Wolfgang Schäubles formulierte er knackig: „Datensparsamkeit isch over. Das Zeitalter der Datensparsamkeit ist beendet, weil Pandoras Box geöffnet ist.“ Die Möglichkeit der Datennutzung schaffe neue Geschäftsmodelle für Start-ups – jedoch wäre eine parallele Prüfung hinsichtlich des Datenschutzes für junge Unternehmen nicht zu bewerkstelligen. Zwar befürworte er die Idee, Datenschutz ins Geschäftsmodell zu integrieren. Angesichts einer gewissen Datenhysterie in Deutschland verschiebt sich hier laut Lumma jedoch die Last einseitig auf die Unternehmen. 

Damit weckte er natürlich deutlichen Widerspruch bei Hamburgs Datenschützer Prof. Dr. Caspar, der in seinem Vortrag auf die neuen Möglichkeiten der kooperativen Wahrung der Datenschutzstandards hinwies und künftig weniger auf Hysterie und Druck setzen möchte, sondern mit Blick auf die kommende Datenschutz-Grundverordnung wesentlich mehr verfügbare Mittel zwischen „Pinzette und Hammer“ sieht.

In der abschließenden Podiumsdiskussion beruhigte der Datenschutzbeauftragte jedoch besonders die Unternehmerseite. Er könne sich nicht vorstellen, dass man bei jedem Datenverstoß gleich mit der großen Keule und einer Strafe von vier Prozent des Jahresumsatzes drohen würde – schon weil das Geld seiner Meinung nach ja bei den chronisch unterfinanzierten Datenschutzbehörden bliebe. 

Eine wichtige Information, die viele Unternehmen besser schlafen lässt. Das beruhigte auch den mitdiskutierenden Legal Counsel von Google Deutschland Per Meyerdierks. Er gab zu, dass man auch bei Google noch dabei sei zu verstehen, was sich wirklich hinter dem Vertragswerk aus der EU verberge. Sorgen bereiteten ihm daher auch weniger die möglichen Strafen als viel mehr die Aktualisierung bestehender Verträge, die aus heutiger Sicht alle nicht mehr Bestand hätten bzw. rechtswidrig wären.  Allein für Google rechne er hier mit einem Aufwand von mehreren „Mannjahrhunderten“. 

Für die Vermittlung von größerer Medienkompetenz neue Konzepte machte sich der Vorsitzende der Hamburger Datenschutzgesellschaft Kramer stark: Er brachte die Idee von Medienscouts in die Runde ein, bei der Schüler ihren Altersgenossen die neuesten Features und Entwicklungen für mehr Privatsphäre und Datensicherheit vorstellen. Wenn sich die jüngeren Menschen selbst aufklärten, hätte das meist noch mehr Wirkung, skizzierte er die Idee auf dem Panel. Da sprang ihm auch die Sprecherin für Datenschutz in der Hamburgischen Bürgerschaft, Anna von Treuenfels-Frowein, bei. Die FDP-Politikerin forderte zusätzlich auch eine bessere Ausstattung an den Schulen und Vereinfachungen bei der Bürokratie für Start-ups, damit diese sich mit den Datenschutzgesetzen vertraut machen könnten, aber trotzdem zuerst einmal wirtschaftlich agieren könnten. Denn Gründer könnten sich in den seltensten Fällen eine teure Rechtsberatung leisten.

Die Referenten

Begrüßung
Frederick Richter, LL.M.
Vorstand Stiftung Datenschutz

Nikolaus von der Decken
Creditreform Hamburg von der Decken & Wall KG
Vorsitzender des Rechtsausschusses der Handelskammer Hamburg

Grußwort
Dr. Till Steffen
Senator der Freien und Hansestadt Hamburg
Präses der Justizbehörde

"Kooperative Instrumente im Datenschutz als Chance"
Prof. Dr. Johannes Caspar
Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit

"Privacy by Design = Innovation + Datenschutz?"
Prof. Dr. Christoph Bauer
Hamburg School of Business Administration / ePrivacy GmbH

"Lasst uns Daten nutzen - zum Wohle aller"
Uwe G. Becking
Leiter Strategische Geschäftsentwicklung und Soziale Sicherheit
IBM Deutschland

"Wieviel Datenschutz verträgt die digitale Gründerkultur?"
Nico Lumma
D64 - Zentrum für Digitalen Fortschritt e.V.


Podiumsdiskussion


"Datenschutz als Standort- und Wettbewerbsvorteil - (Wie) kann das funktionieren?"
Prof. Dr. Johannes Caspar
Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit

Dr. Philipp Kramer
Hamburger Datenschutzgesellschaft e.V.

Per Meyerdierks
Legal Counsel / Datenschutzbeauftragter
Google Germany

Anna von Treuenfels-Frowein
Stellv. Vorsitzende FDP-Bürgerschaftsfraktion, Sprecherin für Datenschutz

Nico Lumma
D64 - Zentrum für Digitalen Fortschritt e.V.

24. Februar 2017, 12:30 - 18:00 Uhr
HKIC Handelskammer InnovationsCampus, Hamburg