AUS SICHT DER STIFTUNG DATENSCHUTZ – Simplifizierung als Lösung für die „Daten-AGB“?

Symbole und Piktogramme begegnen uns im Alltag an vielen Stellen, sei es im Straßenverkehr oder auch auf Verpackungen von Lebensmitteln. Sie können selbst einer völlig sprachunkundigen Person auf schnelle Weise Hinweis oder Warnung geben - nicht mit vielen Worten, sondern auf einen Blick. Angesichts dieser bestechenden Effizienz der Informationsvermittlung liegt die Überlegung nahe, diese grafischen Werkzeuge auch im Bereich des Datenschutzes einzusetzen. Denn gerade hier besteht immer mehr das Problem, dass für die Vermittlung eines komplexen Sachverhaltes (Umgang mit Nutzerdaten innerhalb digitaler Dienstleistungen) kaum effektive Mittel zur Verfügung stehen.

Das Versagen der Datenschutzerklärung

Die übliche Erklärung zum Datenschutz, die mit vielen oder sehr vielen Worten das Datensubjekt in die Einzelheiten der vorgesehenen Verarbeitungsvorgänge einzuweihen sucht, ist jedenfalls kein geeignetes Mittel. Dies ist insofern nur logisch, als dass ihr Wortlaut im Kern weniger der schnellen Verbraucherinformation, sondern vielmehr der soliden rechtlichen Absicherung der verantwortlichen Stelle dient.

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Zwar wird dem "Betroffenen" ein Angebot zur Information gemacht, doch rechnet kaum ein Verfasser ernsthaft mit der wirklichen Annahme dieses Informationsangebotes. Vielmehr soll gegenüber Aufsichtsbehörden, Verbraucherschutzorganisationen oder Rechtsabteilungen von Wettbewerbern Compliance demonstriert und letztlich Angriffsschutz betrieben werden. Vorstöße, die beim Datensubjekt womöglich "Informiertheit auf einen Blick" herstellen könnten, machen angesichts dessen natürlich hellhörig. Jedoch sind die rechtlichen Umstände im Datenschutz noch komplexer als im Straßenverkehr.

Auch sind die Gefahren abstrakter, sie drohen, sich - wenn überhaupt - oft erst in unbekannter Zukunft zu realisieren. Abstraktheit und Komplexität könnten die Einsatzmöglichkeiten einprägsamer, simpler Symbolik somit begrenzen.

Die Chance der Symbolik

Die Geschichte der vereinfachten Darstellung und Symbolisierung zur Vermittlung von Informationen ist so alt wie die menschliche Kommunikation. Hat es sich am Anfang um Handgesten und später um einzelne Schriftzeichen oder Bilder gehandelt, so entwickelte sich mit dem Aufkommen der Informationstechnik und den im Alltag überall gegenwärtigen Bildschirmen und Displays eine neue Visualisierungsebene. Sprachunabhängige Symbole für Programme, Funktionen und Applikationen sind stationär wie mobil nicht mehr wegzudenken. Die zeitliche Effizienz hinsichtlich Erfassungsaufwand und Inhaltsvermittlung ist bestechend. In jeder Situation spart es Zeit, nur  ein Symbol erkennen als Text lesen zu müssen. Auch haben Symbole eine soziale Komponente, denn sie nivellieren. Informationen werden auch für Menschen leicht zugänglich, die über nur geringe Sprachkompetenz verfügen. Fremdsprachenkenntnisse und selbst Alphabetismus selber sind keine Voraussetzung mehr für die Informationserfassung. Die Möglichkeit zur kulturraumübergreifenden Vermittlung spart zudem Unternehmen Kosten.

Wenig Bewegung im Datenschutz

Im Datenschutzrecht sind Symbole bislang kein Forschungsschwerpunkt, der sich in der Praxis niederschlug. Uns sind durchaus konkrete Überlegungen relevanter Unternehmen aus den Bereichen Telekommunikation und Handel bekannt, jedoch wird am Ende die Einheitlichkeit der entscheidende Erfolgsfaktor sein. Für plattformoder branchenübergreifende Lösungen werden unternehmerische Eigeninteressen zurücktreten müssen, was hinsichtlich des Entwicklungsaufwandes nicht trivial ist. Umso mehr verwundert, dass die öffentliche Hand noch nicht das Potential sieht, das sich eröffnet. Anders ist nicht zu erklären, dass es noch keine öffentliche Förderung für die Suche nach einer effektiven Piktogrammlösung gibt. Unseren Recherchen nach betreiben derzeit allein Unternehmen Untersuchungen zu Datenschutzsymboliken bzw. der Visualisierung von privacy policies. Uns sind keine staatlichen oder universitären Projekte bekannt, bei denen Datenschutzsymbole/Rechtssymboliken einen Forschungsschwerpunkt bilden. Dies ist gleichwohl kein datenrechtliches Spezifikum, sondern betrifft das gesamte Feld der Rechtsvisualisierung, also der grafischen Erfassung rechtlicher Probleme und Lösungen. Wenn es in dieser Hinsicht in der Vergangenheit Projekte gab, so schien auch dort schnell klar zu werden, dass viele Rechtsanwender sich vor Visualisierungen im Recht scheuen und dass als Grundsatz vorherrscht "Recht ist Text".

Impuls durch die DSGVO

 Mit dem neuen europäischen Recht wird es in Art. 12 Abs. 7 DSGVO Anbietern erlaubt, ihre Erklärungen und Informationen zur beabsichtigten Datenverwendung mit standardisierten Bildsymbolen zu kombinieren. Die Aufnahme der Bestimmung in das europäische Gesetzeswerk zeigt, dass die Relevanz der Thematik auf EU-Ebene erkannt wurde. Das Weglassen der Konkretisierung in der schließlich verabschiedeten Version der Verordnung zeigt zugleich den noch bestehenden Diskussionsbedarf. Die in der Parlamentsversion der Grundverordnung noch als Anlage vorgesehenen Beispiele konnten jedenfalls noch nicht alle Seiten überzeugen. Die PinG-Leser mögen sich mit der folgenden Abbildung selber ein Bild von der Eignung der Vorschläge des Europäischen Parlaments von 2014 machen. Was sagen Ihnen diese Symbole?

Ohne jede weitere Erklärung mag sich der Sinn von Grafiken wie dieser aus dem EP-Vorschlag nicht unbedingt erschließen. Der Fairness halber sei angemerkt, dass in der Parlamentsfassung der DSGVO vorgeschlagen war, dass dieser Symbolik eine textliche Erläuterung hätte zur Seite gestellt werden sollen (Art. 13 Abs. 2 lit. b) DSGVO-EP). Zunächst wäre somit zu erörtern, ob im Bereich des Datenschutzes eine Simplifizierung überhaupt so weit gehen kann, dass sie erklärende Texte zu ersetzen im Stande ist – oder ob auch die beste Symbolik immer noch eines Erklärungsbeiwerkes bedarf.

Piktogramme mit Bedienungsanleitung?

Ein konzertierter nationaler Vorschlag an die EU-Kommission zur praktischen Ausfüllung der in der beschlossenen Grundverordnung enthaltenen Möglichkeit zur Festlegung von Piktogrammen könnte den Diskussionsstand in jedem Falle voranbringen [An dieser Stelle sei angemerkt, dass wir als Bundesstiftung gerne bereitstehen, wenn es darum geht, ein Forum zu bieten für die Ausarbeitung eines ausgewogenen deutschen Vorschlags].

Bis es in der Sache weitergeht, wird bei den Akteuren die abwartende Haltung bestehen bleiben. Solange keine neuen überzeugenden Vorschläge ins Feld geführt werden, werden die Zweifel überwiegen, ob Icons der Komplexität der Materie gerecht werden können und wie die Ausgestaltung verständlich funktionieren soll.

Es bleibt bei allem festzuhalten, dass Datenschutz- Symbole mehr als eine Überlegung wert sind. Sind sie verständlich und eingängig sowie maschinenlesbar und standardisiert, können sie Verbrauchern wie Unternehmen gleichermaßen einen guten Beitrag leisten für die Informiertheit des Datensubjekts.

Der Artikel ist im Fachmagazin PING erschienen.