DatenschutzWoche vom 14. August 2023

OLG Köln und OLG Düsseldorf: Zwei spannende Entscheidungen zum Recht auf Auskunft

Zum Recht auf Auskunft und Kopie gibt es immer wieder kontroverse Diskussionen und teils einander widersprechenden Gerichtsentscheidungen. Nun hat das OLG Köln mit Urteil vom 10. August 2023 – Az. 15 U 184 22 (GRUR-RS 2023, 20138) entschieden, dass ein Antrag auf eine „vollständige Datenauskunft“ hinreichend bestimmt ist. Das LG Bonn hatte dies in der Vorinstanz noch abgelehnt.

Zur Begründung führt das OLG Köln, dass es bei Anträgen nach Art. 15 DSGVO grundsätzlich ausreicht, „[…] wenn der Klageantrag dem Wortlaut der Vorschrift entsprechend auf Erteilung einer vollständigen Auskunft über die vom Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers gerichtet ist […]“. Wesentliches Argument des Gerichts ist das Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Darüber hinaus stellt das OLG Köln fest, dass ein Auskunftsersuchen, das „[…] zumindest auch noch der Befriedigung etwaiger anderer datenschutzrechtlicher Belange […]“ dient, nicht rechtsmissbräuchlich ist.

Mit dem Rechtsmissbrauch bei Auskunftsersuchen beschäftigt sich auch das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 13.07.2023 – Az. I-13 U 102/22, I-13 U 44/23 (BeckRS 2023, 19635). Das Gericht kommt darin unter anderem zum Ergebnis, dass ein Antrag auf Auskunft jedenfalls rechtsmissbräuchlich ist, wenn der Betroffene sich „[…] Informationen beschaffen [möchte], die ihm bereits in verständlicher Form vollständig vorliegen […]“. Da kein Ausnahmefall vorliege, in dem die erneute Informationsbeschaffung erforderlich sei, um die Rechtsmäßigkeit der Datenverarbeitung zu überprüfen, sei kein vernünftiges Interesse an der Auskunft gegeben. Dass der Betroffene versuche, sich durch das Auskunftsersuchen „[…] aus Bequemlichkeit und unter Umgehung zivilprozessualer Grundsätze seiner Beibringungspflicht zu entledigen […]“, führe zu einer völligen Zweckentfremdung des Anspruchs.

Angesichts der unterschiedlichen Wertungen beider Gerichte ist nicht damit zu rechnen, dass die Debatte zu Art. 15 DSGVO in nächster Zeit zu Ende geht.

Datenschutzaufsicht Berlin: Typische Fehler bei Datenschutzerklärungen

Nachtrag, 15. August 2023: Am Tag nach Veröffentlichung der DatenschutzWoche war die Orientierungshilfe auf der Website der Berliner Datenschutzaufsichtsbehörde nicht mehr auffindbar.

In einer nicht datierten Orientierungshilfe zu typischen Fehlern bei Datenschutzerklärungen informiert die Berliner Datenschutzaufsichtsbehörde über Mängel an Datenschutzerklärungen aus ihrer Beratungs- und Prüfungspraxis.

Die Orientierungshilfe erinnert an die Checkliste zur Prüfung von Auftragsverarbeitungsverträgen, welche die Behörde im Juli 2022 veröffentlicht hat, und legt ähnlich strenge Maßstäbe an. In den elf Kategorien der neuen Orientierungshilfe finden sich neben eindeutigen Verstößen, wie z.B. einer unvollständigen Beschreibung der Verarbeitungsvorgänge, einige überraschende Punkte. So verlangt die Berliner Datenschutzaufsicht, dass in der Datenschutzinformation auch die internen Empfänger angeben werden sollen. Im Fall einer Auftragsverarbeitung sind nach Ansicht der Behörde auch die Unterauftragsverarbeiter aufzunehmen und konkret zu benennen. Finden Datenexporte durch Unterauftragsverarbeiter statt, sollen auch diese unter Nennung der jeweils einschlägigen Garantien angegeben werden.

Eine derart detaillierte Datenschutzinformation dürfte jedenfalls nicht der gelebten und etablierten Praxis entsprechen. Ganz unabhängig davon, ob man der Einschätzung der Berliner Datenschutzaufsichtsbehörde in jedem einzelnen Punkt zustimmen möchte, enthält die Checkliste viele wichtige und richtige Punkte zur datenschutzkonformen Gestaltung von Datenschutzinformationen und bietet Verantwortlichen daher einen guten Orientierungspunkt.

Internationale Nachrichten

  • Finnland: Die finnische Datenschutzaufsichtsbehörde hat entschieden, dass eine Datenübermittlung nach Russland gegen die DSGVO verstößt und deshalb deren Aussetzung angeordnet. Die Behörde hat eine englische Übersetzung ihres Bescheids vom 4. August 2023 veröffentlicht.
  • Frankreich: In einer Mitteilung vom 8. August 2023 informiert die CNIL über Ortungsgeräte wie Apple Airtags oder Samsung SmartTag+ sowie die damit verbundenen Missbrauchsrisiken und Schutzmöglichkeiten.

Aktuelle Gerichtsentscheidungen

  • FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.03.2023, Az. 16 K 16150/21 (BeckRS 2023, 19648): Ein Verstoß gegen die DSGVO reicht für das Entstehen eines Schadenersatzanspruchs nicht aus. Es bedarf darüber hinaus der Darlegung und des Nachweises eines konkreten Schadens.
  • AG Köln, Urteil vom 26.05.2023, Az. 132 C 18/23 (juris): Art. 15 DSGVO führt nur zu einem Anspruch auf Übersendung einer Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder ganzen Dokumenten, wenn dies für eine wirksame Ausübung von Rechten aus der DSGVO unerlässlich ist.
  • Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2023, Az. 2 AZR 296/22 (Volltext): In einem Kündigungsschutzprozess besteht nach Maßgabe der DSGVO und der Zivilprozessordnung grundsätzlich kein Verwertungsverbot für Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Das gilt auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht.
  • OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.07.2023, Az. I-13 U 102/22, I-13 U 44/23 (BeckRS 2023, 19635): Ein Antrag auf Auskunft zu Daten, die dem Betroffenen bereits in verständlicher Form vollständig vorliegen, ist rechtsmissbräuchlich.
  • OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.07.2023, Az. 6 W 40/23 (juris): Der Streitwert in Verfahren, in denen aus der DSGVO Ansprüche wegen eines Scraping-Vorfalls auf einer Social-Media-Plattform geltend gemacht werden, ist in der Regel auf 6.000 € festzusetzen.
  • OLG Bamberg, Urteil vom 20.07.2023, Az. 1 U 228/22 (juris): Unzulässige Stufenklage im Fall von Beitragsanpassungen einer privaten Krankenkasse. Es ist keine Aussetzung des Verfahrens bis zur Klärung der Rechtsfrage, ob ein Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO besteht, geboten.
  • LG Potsdam, Urteil vom 28.07.2023, Az. 13 O 185/22 (juris): Der Anspruch auf Auskunft auf Art. 15 DSGVO dient gerade nicht zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche, sondern zur Klärung bestimmter datenschutzrechtlicher Belange des Betroffenen.
  • OLG Köln, Urteil vom 10.08.2023, Az. 15 U 184 22 (GRUR-RS 2023, 20138): Ein Antrag auf „vollständige Datenauskunft“ ist hinreichend bestimmt. Es reicht, wenn der Wortlaut von Art. 15 DSGVO wiedergegeben wird. Die Verfolgung datenschutzfremder Zwecke ist unschädlich.
  • Weitere Entscheidung zu Schadensersatz wegen Scraping bei Facebook:Ablehnend LG Stralsund, Urteil vom 09.06.2023, Az. 6 O 181/22 (juris)

Neuigkeiten aus den Aufsichtsbehörden